Die Transformation der DDR-Blockparteien während und nach der politischen Wende

Inhalt

1. Einführung
2. Blockparteien in der DDR
3. Strukturelle Transformation der Blockparteien 1989/90
3. 1. Phase I - Kosmetische Erneuerung und Einflusssicherung
3. 2. Phase II - Radikaler Strukturwandel
3. 3. Phase III - Westorientierung
3. 4. Phase IV - Parteienvereinigungen
4. Die Transformation programmatischer Kernaussagen der Blockparteien
5. Resümee - Entwicklungsprobleme und -perspektiven...

1. Einführung

Ein bemerkenswertes Phänomen der politischen Wende in der DDR und der darauf folgenden deutschen Einheit stellt die scheinbare Kontinuität spezifischer parteipolitischer Kräfte bei der Partizipation an der staatlichen Macht dar. Gemeint sind hier natürlich die so genannten DDR-Blockparteien , welche sowohl an der DDR-Regierung - wenn auch nur oberflächlich - beteiligt waren, als auch den Staat in Volkskammer und Staatsrat repräsentierten. Die Ereignisse der Jahre 1989/90 bedingen es, dass diese Kräfte heute in den Parteien zu finden sind, welche die derzeitige Bundesregierung stellen. Die Landesverbände der Bonner Regierungsparteien in den neuen Bundesländern, die dort selbst zum großen Teil in Regierungsverantwortung stehen, stellen sogar die direkten Folgegliederungen der ehemaligen Teilhaber an der Macht im Staat "DDR" dar. Die Erklärung dieses Phänomens bedarf einer differenzierten Analyse hinsichtlich seiner Ursachen, Erscheinungen und Folgewirkungen. Dieser Aufgabe möchte ich mich in der folgenden Arbeit im Rahmen meiner Möglichkeiten widmen. Dabei möchte ich an Hand von Betrachtungen struktureller und programmatischer Komponenten der Transformation der Blockparteien versuchen, einen Erklärungsansatz für diese Kontinuität zu finden, deren Scheinbarkeit ohnehin lediglich auf einer oberflächlichen Betrachtung weitgehend offensichtlicher Tatsachen beruht. Denn das bloße Vorhandensein einer zwar heute kleineren, doch in weiten Bereichen mit der Mitgliedschaft der Blockparteien identischen Parteibasis von F .D. P. und CDU in den neuen Bundesländern rechtfertigt das Argument von einer breiten Kontinuität zwischen Blockparteien und den östlichen Landesverbänden von F. D. P. und CDU nicht ausreichend. Zur Realisierung dieser Arbeit musste ich mich weitgehend auf die Heranziehung von Presseveröffentlichungen beschränken, da im Bereich der Fachliteratur, außer der Arbeit von Gerd-Joachim Glaeßner: "Der schwierige Weg zur Demokratie" (Opladen 1991), bis zum heutigen Zeitpunkt noch weitgehend kein Beitrag erstellt worden ist, der für meinen Zweck nutzbarer wäre. Lediglich in der Beilage zum Wochenblatt "Das Parlament", "Aus Politik und Zeitgeschichte", sind bereits einige analytische Aufsätze zu diesem Thema erschienen. Daneben hatte ich die Möglichkeit, Kopien einiger Originaldokumente, welche mir von der Friedrich-Naumann- bzw. Konrad-Adenauer-Stiftung zur Verfügung gestellt worden sind, für diese Arbeit auszuwerten. Neben den Schwierigkeiten, welche aus der parallelen Betrachtung von vier Parteien herrühren, ergibt sich bei der Bearbeitung meines Themas ein weiteres Problem. Dabei handelt es sich um das ungleiche Gewicht, welches der Behandlung der einzelnen Blockparteien in dem mir zur Verfügung stehenden Material zugebilligt wird. Dabei liegt der inhaltliche Schwerpunkt des Materials in der Behandlung von Problemen, welche mit CDU und LDPD in Zusammenhang stehen. Dieses und die Unterrepräsentierung von DBD und NDPD liegen freilich in deren spezifischen Entwicklungswegen, welche noch darzustellen sein werden, begründet. Aus diesem Grund wird auch der Schwerpunkt meiner Arbeit in der Betrachtung der erstgenannten Parteien liegen, wobei ich mich bemühen werden, DBD und NDPD nicht völlig zu vernachlässigen. Auf Grund dieser Situation wird es mir im Rahmen dieser Arbeit lediglich möglich sein, eine vorläufige Analyse dieser Problematik zu erstellen. Der eigentlichen Analyse des Problems der Transformation der Blockparteien möchte ich einen kurzen Überblick über die Entwicklung dieser Parteien von ihrer Gründung bis zum Jahr 1989 voranstellen, da ich dieses als wichtige Voraussetzung für das Verständnis ihrer Entwicklung im Kontext der politischen Wende in der DDR erachte. Des weiteren möchte ich den strukturellen Umbau der einzelnen Organisationen gesondert von der Analyse ihrer programmatischen Entwicklung darstellen. Die separate Untersuchung struktureller und programmatischer Entwicklungen der Blockparteinen macht sich meines Erachtens als Voraussetzung für eine Skizzierung der Differenzen und Parallelitäten in den Entwicklungen der einzelnen Organisationen notwendig. Natürlich ist aber auch eine gegenseitige Beeinflussung von programmatischer und struktureller Entwicklung zu verzeichnen, wodurch die Defizite dieser Verfahrensweise deutlich werden, da teilweise eine parallele Betrachtung beider Komponenten notwendig sein wird, um diese verständlich werden zu lassen. Insbesondere bei der Analyse der programmatischen Kernaussagen der einzelnen Parteien, werde ich häufig Entwicklungen konstatieren müssen, die quasi tagespolitischen Charakter haben. Jene Aussagen, welche im herkömmlichen Sinne weniger als programmatisch denn pragmatisch charakterisiert werden würden, wurden freilich durch die Geschwindigkeit der Entwicklungen in der ehemaligen DDR, insbesondere im letzten Quartal des Jahres 1989, bedingt. Zum Abschluss dieser Untersuchung möchte ich die Perspektiven betrachten, welche die ostdeutschen Landesverbände von F. D. P. und CDU in Hinsicht auf die Entwicklung sowohl ihrer regionalen Parteigliederungen, als auch der jeweiligen gesamtdeutschen Partei haben.

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2. Blockparteien in der DDR

Die DDR war ihrer Verfassung nach ein Mehrparteienstaat. Obwohl der SED im Verfassungstext vom 6. April 1968 eine führende Rolle zugebilligt war, hieß es im Artikel 3 (2) der selben Verfassung: "In der Nationalen Front der Deutschen Demokratischen Republik vereinigen die Parteien ... alle Kräfte des Volkes zum gemeinsamen Handeln für die Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft." Die neben der SED existierenden Parteien wurden bereits wenige Jahre nach Ende des II. Weltkrieges gemäß der "Grundsätze der Volksfrontpolitik, die vom VII. Weltkongreß der Kommunist. Internationale (1935) entwickelt worden waren" , unter maßgeblichen Einfluss der Besatzungsmacht zu einem "Demokratischen Block" zusammengefasst. Im Gegensatz zur bourgeoisen Koalitionspolitik konnte im "Demokratischen Block" die führende Rolle der Arbeiterklasse besser durchgesetzt werden. Die sich nach 1945 auf dem Territorium der SBZ neben der SED (zunächst SPD und KPD) bildenden Parteien, differenzieren sich grundsätzlich in zwei verschiedene Kategorien. Zunächst gründeten sich im Frühsommer 1945 - parallel zu den beiden Arbeiterparteien - die Christlich Demokratische Union (CDU) und die Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LDPD) als autonome Organisationen konservativer bzw. liberaler Kräfte in der SBZ. Dem Bemühen der führenden Repräsentanten der Parteien innerhalb des politischen Systems der SBZ ein eigenständiges Politikprofil zu entwickeln, stand von Beginn an der erhebliche Druck der Besatzungsmacht und der sich als deren legitimen politischen Arm betrachtenden SED gegenüber, die als "antifaschistische Einheitsfrontpolitik" postulierten Bemühungen um den Aufbau eines separaten und in den Grundzügen sozialistischen deutschen Staates zu unterstützen. Zum Zwecke der effektiveren Realisierung dieses Ansinnens wurden beide Parteien zur "Mitarbeit" im "Demokratischen Block" genötigt. Politiker beider Parteien, welche diesem Prozess der politischen Vereinnahmung durch die SED ablehnend gegenüberstanden, wurden mehr oder minder brutal, meist unter direktem Eingriff der Besatzungsmacht, aus den Ämtern und vielfach auch aus der "Zone" vertrieben. Gegen Ende der 1940er Jahre waren dann in den Spitzen der beiden Parteien Kräfte etabliert, welche einer Zusammenarbeit mit der SED positiv gesinnte waren. Dieses schien der SED und vor allem auch der Besatzungsmacht eine Garantie für eine aus deren Sicht erfolgreiche "Blockpolitik" zu gewähren. Die zweite Phase der Parteiengründungen in der SBZ stellte die Bildung der im Vornherein als Klientelparteien konzipierten Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD) und Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD) im April 1948 dar, welche quasi unter direkter Regie der SED durchgeführt wurde. Beide Parteien wurden zum Zwecke der Einbindung spezifischer Bevölkerungsgruppen in die Politik des Aufbaus eines eigenständigen Staates auf dem Territorium der SBZ, welche zu diesem Zeitpunkt bereits abzusehen war, gebildet. Die DBD war auf die im weitesten Sinne im landwirtschaftlichen Bereich tätigen Personen, vor allem sogenannte "werktätige Bauern", ausgerichtet. Die NDPD dagegen sollte ehemalige Wehrmachtsangehörige, Angehörige der bürgerlichen Mittelschicht und nicht zuletzt ehemalige NSDAP-Mitglieder ansprechen, um deren nicht geringes intellektuelles und ökonomisches Potential für den Aufbau eines separaten Staates nutzbar zu machen. Daneben spielte die Abschöpfung und parteiliche Bindung potentieller Mitglieder von CDU und LDPD in den Bemühungen um die "Gleichschaltung" dieser beiden Parteien, welche 1948 noch nicht abgeschlossen war, eine wichtige Rolle. Hierbei wird nun auch offensichtlich, welche Perspektiven den neben der SED in einem separaten Ost-Staat bestehenden Parteien gegeben werden sollte. Diese Perspektiven waren die Bindung spezifischer, für die SED nicht erreichbarer Bevölkerungsgruppen an einen separaten deutschen Oststaat, und die Erschließung der intellektuellen bzw. ökonomischen Potentiale ihrer Mitgliedschaft für die Entwicklung dieses Staates. Dabei sollte aber die Funktion der Interessenvertretung ihrer Klientel, welche Parteien in herkömmlichen bürgerlichen Systemen ausübten, weitgehend gegenüber der vorbehaltlosen Unterstützung der Politik der SED zurücktreten. Erfüllten diese Voraussetzung DBD und NDPD als Zöglinge der SED von Anbeginn ihres Bestehens, so kann man spätestens seit Beginn der 1950er Jahre auch das Verhalten der führenden Repräsentanten von CDU und LDPD mit diesem Erfordernis in Übereinstimmung bringen. In diesem Kontext vollzog sich das politische Leben in der DDR bis in das Jahr 1989 hinein. Die Blockparteien waren etabliert in Mitgliedschaft, Apparat und Vermögen. Die Mitgliederzahlen bewegten sich dabei - im Vergleich zur SED - auf einem relativ niedrigen Niveau . Die Infrastruktur der Parteien konnte im Laufe der Zeit nach dem Muster des demokratischen Zentralismus großzügig ausgebaut werden. Finanziert wurden die Aktivitäten und Verwaltungen der Parteien zum überwiegenden Teil durch den Staat. Neben einer guten personellen Infrastruktur besaßen die Parteien ein über das gesamte Gebiet der DDR gespanntes Netz von Grundstücken und Parteizeitungen, deren Auflagen allerdings mittels Papierkontingentierung kontrolliert wurden. Für die Öffentlichkeit in der DDR stellten sich die Blockparteien nicht als politische Alternativen zur SED in dem Sinne dar, dass man durch eine Mitgliedschaft in einer von ihnen einen Beitrag zu Veränderungen in der DDR hätte leisten können. Hierfür lagen die realen Machtpole zu offensichtlich in den Händen des SED-Politbüros. Jedoch sahen etliche Mitglieder der Blockparteien ihre Mitgliedschaft als stillen Widerstand gegen ständige Versuche der Vereinnahmung durch SED-Kader an, oder verstanden diese als ebenso stillen, aber deutlichen Protest gegen die Politik der SED, was allerdings auf Grund der vorbehaltlosen Unterstützung dieser durch die Gremien der Blockparteien keinen rechten Sinn machte. Alles in allem hatten die Blockparteien die Möglichkeit, im begrenzten Umfang an Machtpfründen und -positionen zu partizipieren, ohne dass sie gleichberechtigt an der Macht beteiligt worden waren.

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3. Strukturelle Transformation der Blockparteien 1989/90

Der strukturelle Umbau der Blockparteien während und nach der politischen Wende in der DDR gestaltete sich im Vergleich der einzelnen Parteien, aber auch innerhalb einzelner Organisationen graduell unterschiedlich. Man kann diese Transformation in vier Phasen untergliedern, welche zwischen den einzelnen Organisationen grundsätzliche Parallelitäten, jedoch nicht in jedem Fall eine zeitliche Deckungsgleichheit aufweisen. Alle Parteien konnten 1989 durchaus von ähnliche Voraussetzungen für ihre Transformation ausgehen. Lässt man die soziale Struktur der Mitgliedschaft außer acht, welche auf Grund der spezifischen Klientel jeder Partei relativ erhebliche Differenzen aufwies, so kann man in jeder Partei von einem mehr oder minder ähnlich großen Mitgliederstamm ausgehen. Die infrastrukturelle Gestalt der Parteien dürfte sich a. G. der oben geschilderten gleichen Entwicklungsbedingungen ebenfalls stark geähnelt haben.

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3. 1. Phase I - Kosmetische Erneuerung und Einflusssicherung

Trotz in struktureller wie inhaltlicher Hinsicht vergleichbarer Ausgangsbedingungen wurden bereits im letzten Quartal des Jahres 1989 Unterschiede in den Bemühungen der einzelnen Parteien, ihren Körper zu reformieren, sichtbar. Dabei traten die Parteien durchaus nicht als homogene Körperschaften auf. Beispielsweise wurde von vier Mitgliedern der thüringischen CDU-Basis am 10. September 1989 ein Katalog von Forderungen an den CDU-Hauptvorstand gerichtet, in welchem neben inhaltlichen Fragen auch Probleme der formalen Tätigkeit der Partei angesprochen worden sind. So wurde beispielsweise gefordert, dass die "Parteiarbeit ... so auszugestalten [ist], daß in ihr der Wille der Mitglieder den unbedingten Vorrang hat". Insbesondere soll von der Praxis abstand genommen werden, dass von der Parteinomenklatur vorbestimmte und zensierte Diskussionsbeiträge gehalten werden, und ganz allgemein sollte "Erscheinungen obrigkeitlichen Denkens und bürokratischen Umgangs mit den Menschen in [der] Partei..." entgegengewirkt werden. Zu einer Zeit, da vom Hauptvorstand der CDU noch keinerlei Impulse hinsichtlich einer Diskussion über die offensichtlichen Probleme der Gesellschaft in der DDR ausgegangen sind, war dieses auf einer Tagung der Synode des Bundes der evangelischen Kirchen in der DDR Journalisten aus der BRD bekannt gewordene Schreiben ein Indiz für die starke Unzufriedenheit von Teilen der CDU-Basis über den Umgang des Parteivorstandes mit den eigenen Mitgliedern und gesellschaftlich relevanten Themen. Derartige Unmutsäußerungen dürften in unterschiedlicher Form zu dieser Zeit wiederholt und nicht nur an der CDU-Basis zur Verlautbarung gekommen sein, was auf eine tiefe Kluft zwischen der politischen bzw. formalen Tätigkeit des jeweiligen Parteiapparates und dem politischen bzw. demokratischen Bewusstsein der nicht beruflich in der Partei tätigen Basismitglieder hindeutet. Insbesondere den oftmals kirchlich aktiven Mitgliedern der CDU-Basis kann man eine aus dieser Arbeit herrührende demokratische Erfahrung zubilligen. Daneben muss man auch konstatieren, dass im "demokratischen Zentralismus" formaldemokratische Verfahren zur Anwendung kamen. Die in diesen Verfahren kaum genutzte Möglichkeit der Gegenstimme bzw. Enthaltung resultierte ja nicht aus einer vollkommenen Zustimmung aller Abstimmenden, sondern vielmehr aus dem zu erwartenden Konsequenzen einer negativen Stimmabgabe. Erst eine veränderungsschwangere gesellschaftliche Situation, wie sie im Herbst des Jahres 1989 in der DDR bestand, ließ die Bereitschaft in den Parteibasen wachsen, etwaige Repressalien in der Hoffnung zu erdulden, dass diese mit gesellschaftlichen Veränderungen gegenstandslos werden würden. Trotz allem waren solch ehrlichen Meinungsäußerungen in den Parteibasen nur Einzelerscheinungen gewesen, da im anderen Falle nicht nur dieser "Brief aus Weimar" an die Öffentlichkeit geraten wäre. Die eben beschriebenen und nach der Verkündung der "Wende" durch Egon Krenz am 18. Oktober 1989 vollends offenbar werdenden Differenzen zwischen den Basen der Blockparteien und deren Vorstände bzw. Parteiapparate führte zunächst am 2. November 1989 zu den Rücktritten des Vorsitzenden der CDU, Gerald Götting, und des Vorsitzenden der NDPD, Heinrich Hohmann. Im Gegensatz zu den Chefs von LDPD und DBD, Manfred Gerlach und Günther Maleuda, zeigten beide Parteiführer keine Sensibilität gegenüber den anstehenden gesellschaftlichen Veränderungen und konnten demnach keine Flexibilität in ihren Äußerungen angesichts der sich ständig verändernden Situation in der DDR entwickeln. In der CDU war der Ablösung Göttings wenige Tage zuvor eine kontrovers verlaufene Fachtagung mit "Kulturschaffenden" in der Parteischule Burgscheidungen vorausgegangen, auf welcher eine "Abrechnung mit Götting" bzw. dessen Absetzung gefordert worden war. Das Misstrauen der Parteibasis gegenüber ihrem führenden Repräsentanten hatte für dessen Absetzung also nicht zu unterschätzende Bedeutung gehabt. Parallel dazu muss in der CDU aber das Verhalten des höchsten Parteigremiums, des Hauptvorstandes, betrachtet werden. In diesem wurde der Rücktritt Göttings in dessen Abwesenheit von seinem bisherigen Stellvertreter, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden in der Volkskammer und eigentlichen "starken Mann" in der CDU - Wolfgang Heyl - verkündet. Dieser ließ sich sogleich mit der vorläufigen Wahrnehmung des Parteivorsitzes beauftragen. Eine Kandidatur für den Parteivorsitz lehnte er auf Grund seiner langjährigen Mitarbeit in führenden Positionen der CDU ab , weiterhin erklärte er sich aber sogleich bereit, dem neuen Vorsitzenden "wirksame Starhilfe" geben zu wollen. Als "denkbare ... Kandidaten" für den Parteivorsitz nannte Heyl - dem Sitzungsprotokoll zu Folge - Lothar de Maizière, Dr. König und Klaus Peter Gerhard. Der Name des Leiters des Union Verlages - Gerhard - wurde bereits auf der erwähnten Klausurtagung in Burgscheidungen ins Spiel um eine mögliche Nachfolge Göttings gebracht. Der Hauptvorstand entschied sich jedoch mehrheitlich für eine Kandidatur de Maizières. Dieser wurde am 10. November 1989 mit 92 von 118 abgegebene Stimmen vom Hauptvorstand der CDU zum Parteivorsitzenden gewählt. Bei der Analyse dieser Vorgänge wird offenbar, dass sich der seit 1987 amtierende Hauptvorstand durch die Besetzung des Amtes des Parteivorsitzenden gegenüber der Öffentlichkeit und den Parteimitgliedern den Anschein einer strukturellen Erneuerung zu geben gedachte. Dabei griff man auf einen von Tätigkeit für CDU und Staat unbelasteten Berliner Rechtsanwalt zurück, der die Erwartung aufkommen ließ, bei der Ausübung des Parteivorsitzes der Unterstützung bewährter Parteifreunde - wie des wiedergewählten Vizevorsitzenden Heyl - zu bedürfen. Die Sicherung des Einflusses des alten CDU-Hauptvorstandes auf die Geschicke der Partei war hierbei, neben der öffentlichen Symbolisierung der Erneuerung, der hauptsächliche Beweggrund. Von den einzelnen Vorgängen innerhalb der NDPD, in Bezug auf die Findung eines Nachfolgers für Heinrich Hohmann, sind bisher weitaus weniger Details bekannt geworden. Zum Nachfolger Hohmanns wurde am 7. November 1989 auf einer Tagung des NDPD-Hauptausschusses der Fraktionsvorsitzende der NDPD in der Volkskammer - Günter Hartmann - gewählt. Anzunehmen ist, dass Hartmann innerhalb der NDPD eine ähnliche Rolle spielte, wie der CDU-Fraktionschef Heyl, obgleich dieser sich durch seine Vergangenheit weniger belastet wähnte. Auf Grund dessen kann man diesem mehr oder minder kosmetischen Führungswechsel, denn hier kam keine offensichtlich unbelastete Figur in den Führungsreigen, ähnliche Motivationen unterstellen, wie sie im CDU-Hauptvorstand eine Rolle gespielt haben müssen. Die Vorsitzenden von LDPD und DBD signalisierten dagegen in ihren Äußerungen seit dem Spätsommer 1989 gegenüber der Öffentlichkeit und ihren Parteifreunden in einem gewissen Rahmen die Bereitschaft zur Durchführung von Reformen in Staat und Gesellschaft. Allerdings wurden in ihren Verlautbarungen Aussagen zu einer notwendigen Reformierung der Parteiarbeit weitgehend unterlassen. Die öffentliche Benennung von Problemen, welche die Bevölkerung der DDR bewegten, erzeugte in den Reihen der eigenen Parteien einen Vertrauensbonus, der sich bei der DBD beispielsweise durch die Bestätigung des Parteipräsidiums durch den Vorstand am 14. November 1989 ausdrückte. Dies lässt zwar nur indirekt Rückschlüsse auf die Stimmung an der Parteibasis zu, da die Struktur des Parteivorstandes der DBD diese nur ungenügend widerspiegelte. Es ist aber anzunehmen, dass eine Gutheißung der führenden Repräsentanten der Partei bei gegenteiliger Auffassung an der Basis zu diesem Zeitpunkt einen Sturm von Protesten ausgelöst hätte, was aber nicht der Fall gewesen ist. Nicht zuletzt manifestierten sich die Positionen der beiden Parteivorsitzenden durch die vorübergehende Annahme der höchsten Ämter des Staates. So setzte sich beispielsweise Günther Maleuda bei der Wahl des Volkskammerpräsidenten am 13. November 1989 überraschend mit 246 Stimmen gegen Manfred Gerlach durch. Gerlach wiederum wurde vom Staatsrat der DDR nach dem Rücktritt von Egon Krenz am 6. Dezember 1989 mit der Wahrnehmung der Funktion des Vorsitzenden beauftragt. In dieser in struktureller Hinsicht ersten Phase der Transformation der Blockparteien kann man zwei unterschiedliche Tendenzen in der Entwicklung dieser Parteien erkennen. Auf der einen Seite versuchen CDU und NDPD durch die Ablösung der bisherigen Parteivorsitzenden eine kosmetische Erneuerung durchzuführen, wobei im Grunde die bisherige Nomenklatur ihre Positionen zu festigen bemüht war. Auf der anderen Seite versuchen die Führungen von LDPD und DBD durch die Signalisierung von Reformbereitschaft ihre Positionen und ihr bisheriges Handeln innerhalb der Partei und gegenüber der Gesellschaft zu legitimieren. Dabei ist es nicht das vornehmliche Ziel die strukturellen Ursachen für ein von den Mitgliedern als undemokratisch empfundenes Parteileben zu ändern, sondern die Erhaltung von einflussreichen Positionen für die politische Führung und den Apparat der Parteien zu sichern. Im letzten Punkt unterscheiden sich die vier Blockparteien nur dadurch, dass in CDU und NDPD jeweils ein Bauernopfer dafür hergegeben worden ist.

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3. 2. Phase II - Radikaler Strukturwandel

Jedoch wurde der Parteibasis zumindest in der CDU durch die Veränderung an der Parteispitze ein vermeintliches Signal zum Beginn einer aktiven Mitgestaltung ihrer Partei gegeben. Was der Hauptvorstand der CDU sicherlich so nicht beabsichtigt hatte und durch die Wahl de Maizières auch keinen Vorschub leisten wollte, trat bereits kurze Zeit nach dessen Inthronisierung ein - der Vollständige Umbau der Partei. Lothar de Maizière setzte - nach eigenem Bekunden - nach seiner Wahl im CDU-Hauptvorstand gegen heftigen Widerstand die Einberufung eines Sonderparteitages durch, dessen Delegierte in demokratischer Wahl durch die Orts- und Kreisverbände bestimmt werden sollten, was der geltenden Satzung eigentlich widersprach. Diese überließ die Bestimmung der Parteitagsdelegierten den Bezirksvorständen. Damit war die Grundlage für eine direkte Repräsentation des Basiswillens auf dem für den 15. und 16. Dezember 1989 nach Berlin einberufenen Parteitag geschaffen, was quasi die Grundlage für eine unumkehrbare Reformierung der Partei darstellen sollte. Auf diesem Parteitag gab sich die CDU eine völlig neue Parteistruktur, welche jener der bundesdeutschen CDU äußerst ähnlich war. Neben einem Vorstand, welcher gegenüber dem alten Hauptvorstand stark verkleinert wurde und nur noch wenige personelle Kontinuitäten mit diesem aufwies, wählte man einen Generalsekretär. Diese Funktion wurde von einem Mitautoren des "Briefs aus Weimar", Martin Kirchner, besetzt. Außerdem bildete man verschiedene sozial- und fachspezifische Unterorganisationen nach westdeutschem Muster und beschloss die Wiedergründung von Landesverbänden. Lothar de Maizière betonte auf dem Parteitag den mit diesen Strukturveränderungen vollzogenen Bruch mit dem "demokratischen Zentralismus". Nachdem man sich am 4. Dezember 1989 - nach der Beseitigung des Führungsanspruches der SED aus der DDR-Verfassung am 1. Dezember 1989 und parallel mit den anderen Blockparteien - aus dem "Demokratischen Block", dem offiziösen Bündnis mit der SED, gelöst hatte, war dieser Strukturwandel nun die Voraussetzung dafür, dass man in der künftigen Gestaltung der Geschicke der DDR mitreden konnte. Die Geschwindigkeit, mit welcher die CDU diese Kehrtwende vollzogen hatte, brachte ihr in Hinsicht auf die anderen ehemaligen Blockparteien einen erheblichen Vorsprung in der Auseinandersetzung um die jeweilige Verantwortung in der DDR-Vergangenheit. Die neuen und scheinbar unbelasteten Politiker der CDU konnten sich, ob ihrer offenbar geringen persönlichen Verstrickung in das DDR-System, durchaus offen zu einer Mitverantwortung der CDU für die Politik in der DDR bekennen, was ihre Glaubwürdigkeit im Vergleich zu den anderen ehemaligen Blockparteien zu erhöhen vermochte. Dabei war die weitere Mitarbeit von zweitrangigen Funktionären des alten Hauptvorstandes im erneuerten Parteiapparat wohl für eine weitgehend reibungslose Weiterarbeit in der CDU notwendig. Der Erneuerungsprozess bei den anderen ehemaligen Blockparteien war durchweg langwieriger. Den entscheidenden Markstein der jeweiligen Entwicklung bildete naturgemäß der erste Parteitag nach der politischen Wende. Die jeweiligen Kongresse fanden bei den drei Parteien nacheinander im Zeitraum zwischen Mitte Januar und Mitte Februar 1990 statt. Die erste derartige Veranstaltung begann die NDPD am 21. Januar 1990 in Berlin. Auf diesem Parteitag wurde zwar ein neuer Vorstand mit dem Vorsitzenden Wolfgang Glaeser gewählt, ansonsten aber keine tiefgreifenden strukturellen Veränderungen innerhalb der Partei vorgenommen. Von einem derartigen Umbau der Partei sieht man auf Grund der bevorstehenden Wahl ab, auf deren Vorbereitung dieser Parteitag ausgerichtet worden war. Ein Strukturumbruch hätte die Potenzen der Partei innerhalb des Wahlkampfes erheblich geschwächt. Der Rücktritt des frisch erkorenen Vorsitzenden am 23. Januar 1990, auf Grund inhaltlicher Differenzen mit dem von ihm auf dem Parteitag gehaltenen Schlusswort, offenbart außerdem die grundsätzliche Labilität der Partei und ihrer Entscheidungsstrukturen. Auf der Fortsetzung dieser Veranstaltung am 11. Februar 1990 wurde Wolfgang Rauls zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Diese in der neuen Parteiführung auftretenden Probleme lassen die Qualität des erfolgten Führungswechsels fraglich erscheinen. Die politische Zukunft der Partei schien zu diesem Zeitpunkt bereits in Frage zu stehen, da sich der Parteitag für ein "Wahlbündnis der Mitte mit LDP... [und] F. D. P." aussprach, was die Partner der LDPD in ihrem Volkskammerwahlbündnis aber verhinderten. Die sich nivellierenden politischen Positionen dieser Parteien, und die sich anbahnende Unterstützung der "Liberalen" durch die bundesdeutsche F. D. P. ließen die Höhe der Erwartungen gegenüber einer separaten Kandidatur bei den Volkskammerwahlen schrumpfen. Auf dem Sonderparteitag der DBD vom 27. bis 28. Januar 1990 in Berlin wurde lediglich der Parteivorsitzende Günther Maleuda in seinem Amt bestätigt. Die auch in dieser Partei herrschenden Vorbehalte gegenüber einem strukturellen Umbau weisen zu aller erst auf die hohe Bedeutung hin, welche der innerparteilichen Stabilität angesichts der bevorstehenden Volkskammerwahl zugemessen wurde. Dieser Wahl beabsichtigte man sich als Einzelbewerber zu stellen, wobei man auf die Sympathie seiner spezifischen Klientel - der Bauernschaft - hoffte. Der am 9. und 10. Februar 1990 durchgeführte Sonderparteitag der LDPD in Dresden bescherte der Partei einen neuen Vorsitzenden, Rainer Ortlep, eine neue Satzung, sowie einen neuen Namen - Liberaldemokratische Partei (LDP). In der beschlossenen Satzung nimmt die LDP von einer Gliederung der Partei nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus Abstand und gibt sich eine nach territorialen Einheiten gegliederte Struktur, wobei sie auch die Einrichtung von Landesverbänden beschließt. Mit dieser strukturellen und personellen Wandlung versuchte die LDP sich für eine enge Zusammenarbeit mit der bundesdeutschen F. D. P. zu qualifizieren. Die Intensität der Umsetzung des ideellen Inhaltes dieser Satzung muss in Frage gestellt werden, was ansonsten analog auch für die strukturelle Transformation der anderen Parteien - insbesondere der CDU - gilt. Einerseits war - wie bei den anderen Parteien - für den bevorstehenden Wahlkampf eine hinreichende Stabilität des Parteiapparates notwendig, welche durch eine überstürzte Umstrukturierung in Frage gestellt worden wäre, andererseits reichte für die formale Ausfüllung der Erfordernisse des Statutes die Vereinigung der bisherigen Bezirks- zu Landesverbänden aus, was jedoch den "föderalen Geist", welcher dieser von der bundesdeutschen F. D. P. kopierten Satzung eigentlich innewohnen sollte, nur oberflächlich genüge tat. Die hergebrachte Parteistruktur bis einschließlich zur Kreisebene und damit die dort tätigen Funktionäre, wurden nicht in Frage gestellt. Die neuen Landesverbände griffen bei der Besetzung ihrer Verwaltungsstellen mit Sicherheit auf Funktionäre der ehemaligen Bezirksverbände der Partei zurück, wenn auch Spitzenpositionen, wie beispielsweise die des Landsgeneralsekretärs oder -geschäftsführers, mit offensichtlich von Parteiarbeit unbelasteten Personen besetzt worden sind, einfach um die Glaubwürdigkeit der Neustrukturierung der jeweiligen Partei auf diesen Ebenen glaubwürdig erscheinen zu lassen.

Beginn

 

3. 3. Phase III - Westorientierung

In der zweiten Phase der Transformation wurde bereits die Orientierung der jeweiligen Akteure auf perspektivische Entwicklungslinien deutlich. Auf der einen Seite wurde - in der Phase der politischen Wende in der DDR, da der artikulierte Ruf der Bevölkerung nach der Vereinigung Deutschlands immer deutlicher wurde, und sich die politischen Akteure in vielfältiger Form mit der möglichen Ausgestaltung dieser Forderung beschäftigen - das Bemühen der großen bundesdeutschen Parteien unübersehbar, sich innerhalb der DDR Partner für die Durchsetzung ihrer politischen Vorstellungen zu suchen. Zwar waren - insbesondere bei einigen Vertreter der CDU - die Vorbehalte der bundesdeutschen Parteien gegenüber einer Zusammenarbeit mit den ehemaligen Blockparteien teilweise außerordentlich groß, doch lassen sich nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze zahlreiche Kontakte zwischen Vertretern der LDPD und West-F. D. P., sowie insbesondere der Ost- und West-CDU nachweisen. So treffen sich bereits am 9. November 1989 einige der Autoren des "Briefs aus Weimar" mit dem hessischen CDU-Generalsekretär Franz-Josef Jung ; der damalige hessische Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) macht Ende November 1989 einen Ringbesuch bei "Reformparteien" in Ost-Berlin, wobei er auch eine Visite in der Ost-CDU-Zentrale nicht vergaß ; und der damalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher bekundete Mitte Dezember 1989 sich noch vor Weihnachten auf einer Privatreise durch die DDR mit Vertretern der LDPD treffen zu wollen . Und nicht zuletzt waren auf den Parteitagen der beiden Parteien mehre Vertreter der jeweiligen "Schwesterpartei" anwesend. So gratulierte beispielsweise der CDU-Landesvorsitzende West-Berlins, Eberhard Diepgen, dem Ost-CDU-Vorsitzenden Lothar de Maizière zu dessen Wahl, außerdem kam es auf diesem Parteitag zu einem der Ost-CDU sichtlich peinlichen Auftritt des CSU-Generalsekretärs Erwin Huber, welcher sich in Begleitung mehrerer Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion befand. Auf dem LDP-Parteitag waren dagegen Hans-Dietrich Genscher und der damalige F. D. P.-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff gern gesehene Gäste, was lediglich den Stand der erreichten Zusammenarbeit dokumentierte, schließlich fand der LDP-Parteitag fast zwei Monate nach dem der Ost-CDU statt. Die im Februar 1990 unter massiver Hilfe der jeweiligen West-Partei gegründeten Wahlbündnisse der ehemaligen Blockpartein LDP und CDU mit neuen liberalen bzw. konservativen Organisationen belegen anschaulich die vergleichbare Qualität der formalen Beziehungen zwischen Ost- und West-CDU, sowie West-F. D. P. und LDP. Die Ausrichtung beider Parteien auf die jeweilige westliche "Schwesterpartei" war Ausdruck eines inhaltlichen Erkenntnisprozesses, welcher noch zu behandeln sein wird. Jedoch wurden die perspektivischen Aufgaben der Parteien spätestens seit Abschluss der Wahlbündnisse deutlich sichtbar: Transformation der Kräfte des jeweiligen politischen Lagers in Strukturen, welche ihnen eine Kompatibilität mit den westlichen "Schwestern" bescherte. Dazu war bei Ost-CDU und LDP zu diesem Zeitpunkt bereits der Anfang gemacht. Dagegen waren aber auch die Perspektiven für DBD und NDPD zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlbündnisse im liberalen bzw. konservativen Lager deutlich zu Tage getreten. In einem sich abzeichnenden politischen System, welches sich in Anbetracht einer zukünftigen deutschen Einheit dem der Bundesrepublik anzupassen hatte - so wie es West-CDU und West-F. D. P. in ihrer Politik gegenüber ihren ostdeutschen Partnern offensichtlich beabsichtigten - sollten Klientelparteien, wie die DBD, oder Parteien ohne erkennbaren originären Hintergrund, wie die NDPD, nur wenig Platz finden. Aus dieser Erkenntnis heraus bemühte sich die NDPD auch um Anschluss an das liberale Wahlbündnis , was von diesem jedoch abgelehnt wurde. Der Abschluss der Bündnisse zur Volkskammerwahl zwischen Ost-CDU, Demokratischem Aufbruch (DA) und der Deutschen Sozialen Union (DSU) am 5. Februar 1990 , sowie zwischen der LDP, der Ost-F. D. P. und der Deutschen Forumpartei (DFP) am 12. Februar 1990 manifestierte nunmehr in vielfältiger Form den direkten Einfluss der bundesdeutschen CDU und F. D. P. auf ihre ostdeutschen Partner. Den ehemaligen Blockparteien CDU und LDP verliehen diese Bündnisse mit neuen ostdeutschen Gruppierungen die Möglichkeit, sich aus ihrer Vergangenheit zu lösen, sowie als Alternative zu den übrigen politischen Kräften in der DDR zu präsentieren.

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3. 4. Phase IV - Parteienvereinigungen

Die Wahl zur Volkskammer in der DDR am 18. März 1990 ergab ein zwar überraschendes, aber deutliches Bild der politischen Stimmung in der DDR. Die Ost-CDU ging aus dieser Wahl mit 40,91% der Stimmen als klarer Sieger hervor. Der "Bund Freier Demokraten" (BFD), in welchem die LDP antrat, erreichte noch 5,28 %, die DBD erhielt 2,19 % und die NDPD nur 0,39 % der Stimmen. Dieses Ergebnis war die Grundlage der zukünftigen Politik in der DDR. Die bundesdeutsche CDU und F. D. P. sahen sich im Erfolg ihrer Bemühungen um die ostdeutschen Kräfte im konservativen bzw. liberalen Lager bestätigt. Die zukünftige Gestaltung der Politik in ihrem Sinne konnte als gesichert gelten. Dieses Ergebnis gab zumindest der Ost-CDU die Gewissheit, sich in der Öffentlichkeit von dem Makel der Blockpartei befreit zu haben, wenn sie dazu auch den Mantel einer in Bonn gestalteten Politik überstreifen musste. Im Wahlergebnis wurde allerdings ein strukturelles Süd-Nord-Gefälle bei der Akzeptanz der CDU in der DDR deutlich. Außerordentlichen Stärken im Süd-Westen standen deutliche Schwächen in den Nord-Bezirken gegenüber. Für die Partei selbst war mit dieser Wahl die Entwicklungsrichtung gewiesen worden. Die Hauptaufgabe der nächsten Monate sollte für den CDU-Parteiapparat in der Vorbereitung der Überleitung der unteren Parteigliederungen (bis zur Landesebene) in eine gesamtdeutsche Partei liegen. Diese Aufgabe bestand allerdings nun für alle politischen Kräfte, die sich auf eine enge Kooperation mit Parteien aus der Bundesrepublik eingelassen hatten. Der BFD trat mit einem durchaus bescheidenen Ergebnis aus der Wahl hervor. Besondere Stärken zeigt sein Wahlergebnis im damaligen Bezirk Halle, dem späteren südlichen Sachsen-Anhalt, auf. Die besonderen Stärken der DBD lagen erwartungsgemäß in Regionen mit hohem Anteil an Landwirtschaft, speziell in den nördlichen Bezirken der DDR - Rostock, Schwerin und Neubrandenburg. Für die NDPD, welche ein quasi vernichtendes Ergebnis erzielt hatte, für die DBD, aber durchaus auch für die LDP bestand nunmehr die Notwendigkeit organisatorischer Zusammenarbeit mit programmatisch gleichgesinnten Kräften. Für die LDP war ein organisatorischer Zusammenschluss mit ihren Partnern am naheliegendsten. Da dieser aber scheiterte , schloss man sich am 27. März 1990 mit der NDPD, welche der LDP bereits auf ihrem Parteitag im Februar 1990 ein Angebot zur Zusammenarbeit unterbreitet hatte, unter dem Namen "Bund Freier Demokraten - Die Liberalen" zu einer Partei zusammen. Hierbei spielte neben programmatischen Übereinstimmungen sicherlich auch die gemeinsame Vergangenheit im Demokratischen Block eine Rolle. Die Ost-CDU war im Frühjahr 1990 weiter bemüht ihren strukturellen Umbau durch die Bildung von Landesverbänden voranzutreiben. Um ihre Defizite in den stark landwirtschaftlich strukturierten Gebieten der Nord-Bezirke der DDR auszugleichen, schloss sich die Ost-CDU im September 1990 mit der DBD zusammen, deren zuvor beabsichtigte Vereinigung mit der DSU scheiterte. Diese Vereinigung wurde durch den Zusammenschluss unterer Parteigliederungen der DBD mit denen der CDU vorbereitet, was auf eine Empfehlung des Parteivorstandes von Ende Juni 1990 zurückgeht. Mit diesem Vorgehen wurde, anders als beim Zusammenschluss von LDP und NDPD, den Mitgliedern der DBD die Möglichkeit offen gelassen, der CDU beizutreten. Dieses Verfahren war notwendig, da die DBD als Klientelpartei nur spezifische Interessen vertrat. Die Bandbreite konservativer Programmatik der CDU konnte den Mitgliedern somit nicht oktroyiert werden, ohne das es - wegen der zahlenmäßigen Stärke der DBD - nach einer Vereinigung zu Verwerfungen innerhalb der Ost-CDU gekommen wäre. Diese Problematik trat bei der Vereinigung von LDP und NDPD a. G. der Ähnlichkeit ihrer programmatischen Aussagen nicht so stark in den Vordergrund, wobei natürlich der massive Mitgliederschwund in den ostdeutschen Landesverbänden der gesamtdeutschen F. D. P. auf eine starke inhaltliche Distanz zwischen der Mitgliedschaft und der die Politik bestimmenden Parteiführung hinweist. Die Entwicklung der Parteien von der Volkskammerwahl bis zum Zusammenschluss mit den bundesdeutschen "Schwestern" kann, nach der relativ kurzen Periode des Wahlkampfes, als vierte Phase der Transformation der ehemaligen Blockparteien gewertet werden. Die West-F. D. P. vereinigte sich am 11. und 12. August 1990 in Hannover mit dem BFD, der Ost-F. D. P. und der DFP. Der strukturelle Zusammenschluss brachte für die F. D. P.-Zentrale in Bonn erhebliche Probleme mit sich, da die Mitgliedschaft der DDR-Parteien mit 135.000 Personen doppelt so groß war, wie die der West-F. D. P. (67.000 Mitglieder). Die Gefahr eines ostdeutschen Übergewichts auf dem Parteitag wurde durch einen komplizierten Delegiertenschlüssel zu verhindern gesucht. Die CDU vollzog ihre Vereinigung zu einer gesamtdeutschen Partei am 1. und 2. Oktober 1990. Die östlichen Landesverbände brachten ca. 1/4 neue Mitglieder in die Partei ein.

Mit den Vereinigungen der Parteien war ein knapp einjähriger Prozess der strukturellen Wandlung der DDR-Blockparteien, die nach dem Prinzip des "demokratischen Zentralismus" von den Parteiführungen und den Parteiapparaten dirigiert worden waren, zu formal demokratischen, nach dem Prinzip des Föderalismus strukturierten Organisationen abgeschlossen. Diese strukturelle Transformation ist eine Ursache für das in der Einleitung erwähnte Phänomen der kontinuierlichen Partizipation dieser Organisationen an der politischen Macht. Dabei ist zu konstatieren, dass zwar die Impulse für diese Wandlung durchaus von der Basis der Parteien ausgegangen sein können, wie dies beispielsweise bei der CDU der Fall gewesen ist, diese Initiative der Basis aber durch den Wechsel der Parteieliten wieder genommen wurde. Diese Erscheinung wird aber durch die Installation neuer Strukturen bedingt. Die Beseitigung nichtfunktionaler Strukturen macht die Umgehung dieser in bestimmten Situationen notwendig. Die Notwendigkeit der Funktion des Systems erfordert aber genau so die Akzeptanz der neuen Strukturen durch diejenigen, welche die überholten Formen beseitigen und neue zu installieren halfen. Daraus folgt aber, dass nach erfolgtem Strukturumbruch und Elitenwechsel die Mitwirkungsmöglichkeiten der Basis einer Partei in ihr selbst wiederum eingeschränkt sind. Folglich konnten die neuen bzw. legitimierten Führungen der Parteien den mit dem Umbruch eingeschlagenen Weg mit, durch die Entwicklungen der Tagespolitik, beschleunigter Geschwindigkeit fortschreiten. Innerhalb von CDU und LDPD führte das zur schrittweisen Annäherung an die westdeutschen Partner, welche die Stabilität der Entwicklung der jeweiligen Partei zu garantieren schienen. Damit konnten die ehemaligen Blockparteien, ungeachtet ihrer Vergangenheit, durch die westdeutschen "Partner" zum Zwecke der Durchsetzung ihrer Politik in der DDR erfolgreich instrumentalisiert werden. Damit allein war bereits die organisatorische Perspektive der ehemaligen Blockparteien beschrieben. Die Geschwindigkeit der Entwicklung hin zu einer Verschmelzung der westdeutschen CDU und F. D. P. mit ihren ostdeutschen "Partnern" wurde dann durch die klare Wählerentscheidung zugunsten der CDU bestimmt.

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4. Die Transformation programmatischer Kernaussagen

Die programmatische Komponente der Transformation der Blockparteien widerspiegelt sich hauptsächlich in der Diskussion zweier Kernprobleme der politischen Wende in der DDR. In den Vordergrund der Auseinandersetzung der verschiedenen politischen Kräfte in der DDR, um die Gestaltung deren Zukunft, rückte relativ schnell die "Deutsche Frage". Eng mit dieser Diskussion verknüpft war die Auseinandersetzung um die ökonomische Situation und Perspektive der DDR. Bis in den Oktober des Jahres 1989 hinein dominierten in den Verlautbarungen der Führungen der Blockparteien sowohl offene, als auch kritische Bekenntnisse zur sozialistischen DDR. Gerald Götting erklärte beispielsweise auf einer Tagung des Hauptvorstandes der CDU am 22. August 1989: "...hier ist unser Vaterland, dem wir verbunden sind und das wir aktiv mitgestalten..." ; Manfred Gerlach bemerkte am 12. Oktober 1989 auf einer Tagung von LDPD-Funktionären kritisch: "Nachdenken in der LDPD über Politik und Gesellschaft heute bedeutet Nachdenken über den Sozialismus und seine Zukunft in der DDR..." . Weitere Aussagen in diesem Sinne ließen sich anschließen. Ursache hierfür war eine reale Identifikation mit der "DDR", die alternative Entwicklungskonzeptionen tabuisierte. Bestes Beispiel hierfür ist der "Brief aus Weimar", welcher von einfachen CDU-Mitgliedern, die teilweise später einflussreiche Ämter in der Ost-CDU besetzten, an ihren Parteivorstand gerichtet worden war. Im Zusammenhang mit der Erörterung der zu dieser Zeit stattfindenden Ausreisewelle erklärten die Verfasser: "Unser Land leidet Schaden - je länger, je mehr." Neben der Sozialisation, welche die Generation der nach 1940 geborenen in der DDR erfahren hatte, rief wohl der vermeintlichen individuelle Anteil des Einzelnen an den ökonomischen und gesellschaftlichen Ressourcen diese Identifikation hervor. Erst mit der Offenbarwerdung der realen ökonomischen und gesellschaftlichen Potenzen (und Probleme) begann innerhalb der DDR eine Diskussion über die ökonomischen und gesellschaftlichen Perspektiven des eigenen Staates, was auch auf die Basen und Führungen der Blockparteien nicht ohne Wirkung blieb. Die auf eine ökonomisch relativ geschlossene Bevölkerungsschicht ausgerichtete DBD erhob bereits am 17. Oktober 1989 im Parteiorgan "Bauern-Echo" die Forderung nach der Eigenständigkeit von LPGs und nach der Vertiefung des Eigentümerbewusstseins der Genossenschaftsbauern , was dem sozialistischen Paradigma des "Volkseigentums" auch auf Genossenschaftsebene zutiefst widersprach. Zu einer Zeit, da andere Kräfte noch mit der Diskussion des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger beschäftigt waren, konnte die DBD sich, auf Grund der relativen Geschlossenheit und der überschaubaren Struktur ihrer Klientel, zu deren Interessenvertreter machen. Mit der Zunahme des Informationsflusses in den sich öffnenden Medien der DDR, im Zuge der von Egon Krenz am 18. Oktober 1989 proklamierten "Wende", kam es auch in den anderen Blockparteien zu einer stärkeren Sensibilisierung gegenüber den ökonomischen Problemen der DDR. So forderte das Präsidium des Hauptvorstandes der CDU am 27. Oktober 1989 in einem programmatischen Diskussionspapier eine "...effektive Wirtschaft, die nach Leistungen bewertet und am Markt orientiert ist". Der Inhalt dieses Papiers zeigt jedoch, dass diese Forderung die DDR und ihr bestehendes Wirtschaftssystem noch keineswegs in Frage stellt. Hier wird lediglich eine effizientere Organisierung des wirtschaftlichen Systems, etwa unter der Diktion einer "marktorientierten Planwirtschaft", angeregt. Vertreter der NDPD und LDPD forderten am 6. bzw. 7. November 1989 die offene Darlegung der ökonomischen Situation durch die Regierung der DDR, die aber angesichts der sich offenbarenden Probleme zu diesem Zeitpunkt ihren Rücktritt erklärte. In jenen Verlautbarungen ist bis zu diesem Zeitpunkt bei keiner der Blockparteien der Wille oder die Absicht zu erkennen, die Basis des grundlegenden Systems der DDR-Ökonomie zu verlassen, obgleich die LDPD eine "grundlegende Wirtschaftsreform" forderte. Auch ist zu diesem Zeitpunkt noch keine Diskussion um den Bestand der Eigenstaatlichkeit der DDR entbrannt. Vielmehr dominiert im Handeln und in den Aussagen der Repräsentanten der Blockparteien das Bemühen um eine Reformierung der DDR. Nur wenige Wochen später sind Äußerungen von Vertretern der NDPD und hauptsächlich der CDU nachzuweisen, welche sich mit den Möglichkeiten einer engen Kooperation der beiden deutschen Staaten befassen. So wird beispielsweise in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. November 1989 verkündet, dass jene beiden Parteien in dieser Frage eine Konföderation befürworte würden. Zu dieser Zeit sprach der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann (CDU) mit Vertretern der sich erneuernden Elite der CDU über eine Konföderation, wobei sich der spätere Generalsekretär der Ost-CDU, Martin Kirchner, Gedanken über die Ausgestaltung einer derartigen Vereinigung durch eine Wirtschafts- und Währungsunion machte. Der Vorstand der LDPD erörterte am 13. Dezember 1989 die Frage der Einheit beider deutscher Staaten, wobei man sich "unter Umständen [da]für" aussprach. Diese "Umstände" wurden aber nicht näher beschrieben. Auf dem Sonderparteitag der Ost-CDU im Dezember 1989, auf welchen sie sich zu einer "Volkspartei mit christlichem Profi" umzuformen bemühte, bekannte sich Lothar de Maizière zur Förderung der Einheit Deutschlands im Kontext der gesamteuropäischen Einigung. Des weiteren erhob die CDU der DDR an dieser Stelle eine "ökosoziale Marktwirtschaft" zu ihrem ökonomischen Ziel. Damit setzte die Ost-CDU klare Akzente in Bezug auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektive der DDR. Zu konstatieren ist, dass am 19. Dezember 1989 auch der Vorstand der LDPD eine klare Position zu diesen Fragestellungen bezog. In wirtschaftlicher Hinsicht wollte man sich nun "eindeutig von allen sozialistischen Experimenten verabschiedet" haben. Als Form der Zusammenarbeit beider deutscher Staaten befürwortete das Gremium einen "deutschen Bund", dessen Ausgestaltung man aber nicht näher beschrieb. Was waren nun die Ursachen für diese programmatische Kehrtwende innerhalb quasi aller Blockparteien? Zunächst forderte die wirtschaftliche Krise neue Konzepte zur Gestaltung des Wirtschaftssystems. Die Einbeziehung marktwirtschaftlicher Elemente in das bestehende System, die Suche nach einem ökonomischen "dritten Weg", würde nicht zur schnellstmöglichen Lösung dieser Probleme ausreichen. Das wurde den Wirtschaftspolitikern der DDR schnell deutlich. Vielmehr bot sich mit dem offensichtlich funktionierenden Modell der bundesdeutschen Marktwirtschaft eine aussichtsreiche Alternative an. Das Unvermögen, ökonomische Experimente in Politik und Gesellschaft durchzusetzen, veranlasste den CDU-Politiker Martin Kirchner zu der Feststellung, dass mit der Absage an die Planwirtschaft "die Wiedervereinigung eigentlich da" sei. Diese wirtschaftskonzeptionelle Vorreiterrolle konnte die CDU einnehmen, da bei ihr der Prozess des Elitenwechsels bereits weit fortgeschritten war, und somit eine weitgehend vorbehaltlose Erneuerung der Programmatik stattfinden konnte. Die anderen Blockparteien waren in dieser Beziehung durch die personelle Kontinuität in ihren Leitungsgremien, welche sich natürlich nur schwer von den hergebrachten ökonomischen Konzeptionen verabschieden konnten, stark gehemmt. Dem Druck, welcher von den realen ökonomischen Umständen und den wirtschaftspolitischen Beschlüssen des CDU-Parteitages ausgegangen war, konnten aber auch die Führungszirkel der anderen Parteien nicht ausweichen, so dass diese ebenfalls eine Absage an die Planwirtschaft vollzogen. Daneben erzeugte natürlich auch die Öffnung der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989, und die dadurch für quasi alle DDR-Bürger erlebbare offensichtliche Wirklichkeit in der Bundesrepublik, eine starke Erwartungshaltung der DDR-Bevölkerung gegenüber den politisch Handelnden in Hinsicht auf die Formulierung realistischer Zukunftsperspektiven. Dabei spielte sofort auch die Diskussion einer möglichen Vereinigung Deutschlands eine Rolle, welche vor allem durch Äußerungen bundesdeutscher Politiker inspiriert worden ist. Das erstmalige Auftauchen von Forderungen in dieser Hinsicht auf Demonstrationen in der DDR am 25. und 26. November 1989 in Plauen bzw. Leipzig stellt nur ein Indiz für die Intensität dieser Diskussion dar, welche sie gut zwei Wochen nach der Maueröffnung erreicht hat. Den richtungsweisenden Höhepunkt in dieser Diskussion stellte ohne Zweifel die Formulierung des "Zehn-Punkte-Programm[s] zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas" durch Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) am 28. November 1989 dar. In diesem Programm greift Kohl den Gedanken einer Vertragsgemeinschaft auf, welchen Ministerpräsident Hans Modrow (SED) in seiner Regierungserklärung vor der Volkskammer am 17. November 1989 geäußert hat. Diesen Vorschlag interpretierte er aber auf seine eigene Weise. Auf der Forderung nach grundlegendem "Wandel des politischen und wirtschaftlichen Systems der DDR" aufbauend, bietet er die Entwicklung einer konföderativen Struktur zwischen beiden deutschen Saaten an. Damit ist der zukünftigen Entwicklung in der DDR die Richtung gewiesen worden: Anpassung des politischen Systems an das der BRD sowie Übernahme des marktwirtschaftlichen Wirtschaftssystems. Der Wille die politischen und wirtschaftlichen Grundlagen für eine engere Zusammenarbeit zu schaffen, welcher sich in den Beschlüssen der Vorstände und Parteitage der ehemaligen Blockparteien um die Jahreswende 1989/90 ausdrückt, lässt den politischen Willen zur Schaffung der deutschen Einheit schlussfolgern. Mit diesen programmatischen Grundsatzentscheidungen, welche sich zwischen den Parteien allenfalls durch Nuancen unterschieden, aber die gleiche Entwicklungsrichtung wiesen, schloss die Diskussion in den ehemaligen Blockparteien um ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungsperspektiven der DDR im Grundsatz ab. Die Entscheidungen waren getroffen, und nur in der Frage der Art und Weise ihrer Realisierung schritt die Auseinandersetzung zwischen und in der Parteien weiter fort. Mit der Volkskammerwahl erhielt vor allem die CDU den Auftrag von einer großen Gruppe der DDR-Bevölkerung, das von ihr verfochtene Ziel eines schnellen und konsequenten Prozesses der Vereinigung zu verwirklichen. Die programmatische Arbeit innerhalb der ehemaligen Blockparteien trat nach der Volkskammerwahl, zugunsten von Bemühungen um strukturelle Anpassung an das politische System der BRD, in den Hintergrund.

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5. Resümee - Entwicklungsprobleme und -perspektiven der aus den Blockparteien hervorgegangenen Landesverbände von CDU und F. D. P.

Mit der Vereinigung der ehemaligen Blockparteien mit der bundesdeutschen F. D. P. bzw. CDU im Sommer bzw. Frühherbst 1990 ist die Transformation dieser Parteien in Folge der politischen Wende in der DDR abgeschlossen worden, da die formale Existenz dieser Parteien erloschen ist. Naturgemäß stellt sich aber nunmehr die Frage, ob und wie die aus den Blockparteien hervorgegangenen neuen Landesverbände der gesamtdeutschen F. D. P. und CDU das Erscheinungsbild bzw. die Entwicklung ihrer nunmehrigen Mutterparteien beeinflusst haben? Zunächst muss man feststellen, dass sich mit dem Zusammenschluss die Größe der beiden Parteien in Hinsicht auf ihre Mitgliederzahlen erheblich erweitert hat. Das gilt sowohl für die CDU, wo sich zu den 680.000 Mitgliedern der westdeutschen CDU formell ca. 200.000 Parteifreunde aus den neuen Bundesländern gesellten, jedoch im weit größeren Maße für die F. D. P., denn hier wurden 67.000 bundesdeutsche Liberale durch formell ca. 135.000 Mitglieder aus der ehemaligen DDR verstärkt. Abgesehen von den sich aus diesen Zahlen vor allem für die F. D. P. ergebenden Probleme in Hinsicht auf eine angemessene Repräsentanz ihrer Mitgliedschaft aus den westlichen Bundesländern auf ihrem Vereinigungsparteitag , mussten diese Zahlen erst einmal verifiziert werden, ehe auf ihrer Grundlage ein realer Mitgliederbestand konstatiert werden konnte. So machte sich hauptsächlich eine Bereinigung der ostdeutschen Mitgliedskarteien von "Karteileichen" notwendig, welche sich in der Zeit des Umbruchs massenhaft angehäuft hatten. In der F. D. P. stellte sich der Mitgliederbestand am 1. Oktober 1991 so dar, dass neben 69.495 Mitgliedern in Westdeutschland nur noch 84.954 Personen der Partei im Osten angehörten. Neben einer situationsbedingten kleinen Zunahme in den alten Bundesländern ist hier gut ein Jahr nach der Parteienvereinigung ein erheblicher Mitgliederschwund in der ehemaligen DDR zu verzeichnen. Dieser Trend dürfte a. G. der politischen Entwicklung in der F. D. P., welche mit den Intentionen vieler ehemaliger Mitglieder der LDPD und der NDPD nicht in Übereinstimmung zu bringen sein wird, und der latenten Ablehnung von parteipolitischer Organisiertheit im gesamten Deutschland, weiter anhalten. Eine vergleichbare Entwicklung des Mitgliederbestandes wird, neben einer stetigen Alterung , auch innerhalb der CDU festzustellen sein. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sich der Grad der Organisiertheit innerhalb der F. D. P. und CDU, zumindest in dem von mir betrachteten Territorium, auf mittlere Sicht hin spürbar verringern wird. Die Entwicklung beider Parteien zu elitären Vereinen von Mandats- und Funktionsträgern wird sich nur schwer vermeiden lassen. Für die innere Entwicklung von CDU und F. D. P. auf Landes- und Bundesebene ist die Tatsache wichtig, dass sie sowohl aus den Landtagswahlen, wie auch der Bundestagswahl 1990 in den neuen Bundesländern gestärkt hervorgegangen waren. Beide Parteien konnten ihre Stimmenanteile gegenüber der Volkskammerwahl stabilisieren bzw. ausbauen. Im Ergebnis der Landtagswahlen führt die CDU vier der fünf ostdeutschen Landesregierungen, die F. D. P. ist ebenfalls an vier von fünf Landesregierungen beteiligt. Bei der Bundestagswahl konnte der Hallenser Bernd Uwe Lühr für die F. D. P. gar das erste Direktmandat seit 1957 gewinnen. Jedoch lässt sich a. G. dieser Ergebnisse keine Steigerung des Einflusses der jeweiligen Landesverbände innerhalb ihrer Mutterparteien begründen, denn die Erfolge waren weniger auf die Schlagkraft der einzelnen Landesverbände und ihrer Spitzenkandidaten zurückzuführen. Sie waren vielmehr durch massive materielle Hilfe aus dem Westen bedingt und vor allem dem permanenten Einsatz bundesdeutscher Spitzenpolitiker aus CDU und F. D. P. im Osten zu danken. Eine Besonderheit bildet im Falle der CDU der Freistaat Sachsen, wo der langjährige CDU-Spitzenfunktionär Kurt Biedenkopf als Spitzenkandidat eine absolute Mehrheit für seine Partei bei der Landtagswahl errang. Insofern kulminierte bei diesem Sonderfall das Unvermögen der sächsischen CDU, einen erfolgreichen Wahlkampf mit eigenem Spitzenkandidaten führen zu können, mit dem dauerhaften Einsatz eines politisch erfahrenen Westdeutschen in einem weitgehend erfolgreichen Versuch, dieses Defizit auszugleichen. Die andauernden strukturellen Schwächen der beiden Parteien in personeller Hinsicht wurden spätestens durch die zahlreichen Krisen in den CDU-geführten ostdeutschen Landesregierungen deutlich. Ein nennenswerter inhaltlicher Einfluss der ostdeutschen Landesverbände von CDU und F. D. P. auf die Programmatik ihrer jeweiligen Partei ist nach ihrer Vereinigung kaum zu spüren gewesen. Die aus einer völlig entgegengesetzten Sozialisation und Erlebniswelt resultierenden Erfahrungen und Auffassungen der Mitglieder der ehemaligen Blockparteien, aber auch der aufgesogenen kleineren Reformparteien, wurden bisher nicht dazu verwendet, einen programmatischen Ansatz für die Lösung der Probleme zu suchen, denen ein gesamtdeutscher Staat gegenübersteht. Damit meine ich vor allem jene inneren Defizite in der Bundesrepublik, deren Deutlichwerdung sich mit der Vereinigung der beiden Staaten erheblich beschleunigt hat. Das Unvermögen, die Neubestimmung konservativer bzw. liberaler Grundpositionen durchzuführen, was auf Grund der völlig neuen gesellschaftlichen Konstellation notwendig geworden ist, disqualifiziert diese beiden Parteien quasi davon, zukünftig eine maßgebende Rolle innerhalb der deutschen Politik spielen zu können. Jedoch scheint dieses Unvermögen keine individuelle Eigenschaft von CDU und F. D. P. zu sein, vielmehr muss man sie als Synonym einer Krise des auf Parteientätigkeit basierenden politischen Systems der Bundesrepublik ansehen. Die Perspektiven von CDU und F. D. P. innerhalb der deutschen Politik werden von dem Vermögen der Mitglieder dieser Organisationen bestimmt, die gerade beschriebenen strukturellen und programmatischen Defizite zu überwinden. Dabei dürfte die konsequente Einbindung originär ostdeutscher Ansätze in die Suche nach Problemlösungen eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz dieser Parteien in den neuen Bundesländern sein, was für ihre dortige organisatorische Perspektive eine entscheidende Voraussetzung wäre.

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© Olaf Freier (1994)