Sicherheitspolitik der USA zwischen 1981 und 1994
Inhalt
1. Einführung 2. Grundlinien der sicherheits- und rüstungspolitischen Debatte in den USA 3. Sicherheits- und Rüstungspolitik der US-Administrationen seit 1981 3. 1. Die Reagan-Administrationen (1981-1988) 3. 2. Die Bush-Administration (1989-1992) 3. 3. Ansätze einer Sicherheitspolitik der Clinton-Administration 4. Zusammenfassung
1. Einführung
Die Sicherheits- und Rüstungspolitik der USA war und ist für die internationale Staatengemeinschaft, ob der politischen, ökonomischen oder militärischen Stärke dieses Landes, von besonderer Bedeutung. Im Kontext des Ost-West-Konfliktes bestimmte sie den Grad der bipolaren Auseinandersetzung mit der UdSSR im entscheidenden Maße mit. Auch in der heute multipolaren Welt ist die die globale Führung beanspruchende USA im sicherheitspolitischen Bereich bemüht, die Richtung künftiger Entwicklungen auf globaler Ebene zu weisen. In meiner Arbeit möchte ich mich mit den Grundstrukturen der sicherheitspolitischen Debatte in den USA und der konkreten Ausformung der nationalen Sicherheitspolitik der Administrationen von Ronald Reagan, George Bush und Bill Clinton - bei den letzteren natürlich nur in ihren Ansätzen - beschäftigen. Dabei werde ich der Einbeziehbarkeit der konkreten Sicherheitspolitik in die sicherheitstheoretische Debatte Aufmerksamkeit widmen. Im Rahmen dieser Arbeit wird mir allerdings nur die Untersuchung zentraler Komponenten der US-amerikanischen Sicherheits- und Rüstungspolitik möglich sein. Die Aussparung beispielsweise der regional bezogenen Sicherheitspolitik oder der Rüstungskontrollpolitik in meiner Arbeit stellt für das Gesamtverständnis der Problematik freilich ein Problem dar, war aber in dem mir zur Verfügung stehenden Rahmen nicht anders zu realisieren. Bei der Literaturauswahl habe ich mich auf die Heranziehung einiger Standardwerke und wichtiger Aufsätze beschränkt, da es mir um die Untersuchung grundlegender sicherheitspolitischer Entwicklungen gegangen ist und ich die Betrachtung von Teil- und Randproblemen der Sicherheitspolitik in diesem Zusammenhang für weitgehend unzweckmäßig gehalten habe.
2. Grundlinien der sicherheitspolitischen Debatte in den USA
Bis zum Ende der 1980er Jahre war der Ausgangspunkt der sicherheitspolitischen Debatte in den USA eine potentielle militärische - d. h. nukleare - Auseinandersetzung mit der UdSSR und das daraus resultierende Bemühen, die US-amerikanische Vorrangstellung im militärische Bereich zu sichern bzw. auszubauen. Dabei war einer der wichtigsten Faktoren bei der Bestimmung der militärpolitischen Strategie der USA die Insellage Nordamerikas, welche eine konventionelle Bedrohung durch eine Feindmacht quasi ausschloss und einzig die Gefahr einer interkontinentalen Auseinandersetzung auf nuklearer Ebene möglich erscheinen ließ. Als weiterer Faktor kann die aus der militärhistorischen Erfahrung der USA herrührende Dominanz offensiver Doktrinen in den drei Teilstreitkräften angesehen werden. Des weiteren muss in die Betrachtung der sicherheitspolitischen Diskussion in den USA die permanente Auseinandersetzung zwischen Exekutive und Legislative um geopolitisches Engagement und Militärbudgets einbezogen werden, welche Ausdruck des systemimmanenten Regulativs zur Unterbindung tendenziöser Militärpolitik der Administrationen ist, jedoch gleichfalls die Verwirklichung einer kohärenten Militärpolitik erschwert. Aufbauend auf diesen Überlegungen ergeben sich innerhalb der sicherheitspolitischen Diskussion in den USA drei relativ unterschiedliche Strategiekonzepte. Als erstes derartiges Konzept kann man den Isolationismus betrachten, der vor allem im Bereich der Republikanischen Rechten, aber verstärkt auch auf der Demokratischen Linken vertreten wird. Die Verfechter dieses Konzeptes gehen davon aus, dass eine gesicherte nukleare Zweitschlagskapazität und eine auf den Schutz des nordamerikanischen Kontinents ausgerichtete Marine, neben einer verbesserten Luftverteidigung, zur Durchsetzung der elementaren Sicherheitsinteressen der "Festung Amerika" ausreichen. Dabei könnte eine erhebliche Reduktion der Armeestärke, sowie der nichtstrategischen Formationen der Luftwaffe und Marine, zu einer erhebliche Einsparung im Militärhaushalt führen. Als zweites Sicherheitskonzept kann man das auf Seiten der "Neuen Rechten" favorisierte Konzept eines maritimen Unilateralismus heranführen. Hierbei werden die existierenden Bündnisse mit anderen Staaten als Einschränkung der Handlungsfreiheit der USA im globalen Konflikt mit der bis zum Beginn der 1990er Jahre existierenden zweiten Supermacht UdSSR verstanden. Die Aufkündigung dieser Allianzen wird als eine Voraussetzung für die Freisetzung weiterer Ressourcen für das Bestehen der USA in dieser globalen Machtkonkurrenz angesehen. Als Voraussetzung für die Durchsetzung der Sicherheitsinteressen der USA wird eine schlagkräftige Marine favorisiert, die durch eine Verstärkung der flexiblen Verbände einer insgesamt kleineren Armee und der Marineinfanterie unterstützt werden soll. Neben dieser maritimen Komponente wird von den Verfechtern dieser Strategie die Bereithaltung einer starken Flotte von Langstreckenbombern und umfangreichen strategischen Transportkapazitäten für notwendig erachtet. Um die Einschränkung der eigenen Handlungsfreiheit, welche aus der nuklearen Bedrohung des amerikanischen Festlandes folgt, neutralisieren zu können, liegt der Schwerpunkt des maritimen Unilateralismus im Ausbau der strategischen Verteidigung. Die Befürworter von Bündnisstrategien gehen davon aus, dass die Stärke der USA auf einer Verbindung mit dem neben den Supermächten existierenden militärischen und ökonomischen Potential basiert; eine Loslösung der USA von diesem Potential würde das globale Gleichgewicht zugunsten der feindlichen Supermacht verändern. Die in der Debatte hervortretenden Bündnisstrategien differenzieren sich wiederum in drei verschiedene Ausformungen: Die erste Variante einer Bündnisstrategie, befürwortet in der politischen Mitte beider Kongressparteien, strebt eine stärkere Beteiligung Japans und Westeuropas bei den Verteidigungsanstrengungen an, daneben soll die konventionelle Komponente der Verteidigung gegenüber der nuklearen Abschreckung ausgebaut werden. Art und Umfang des US-amerikanischen Verteidigungsengagements soll in dieser Konstellation stabil bleiben. Von "Militärreformern" beider Kongressparteien wird eine deutlich funktionale Gliederung im Engagement der Bündnispartner befürwortet, wobei die USA sich in den Bereichen der nuklearen Abschreckung, der Marine und der Luftwaffe, die Westeuropäer dagegen auf dem Gebiet der Bodentruppen profilieren sollen. Ziel dieses Konzeptes ist der effektivere Einsatz der der NATO zur Verfügung stehenden Finanzmittel, ohne deren militärische Verteidigungsfähigkeit zu schmälern. Nebenbei soll natürlich auch das US-amerikanische Verteidigungsbudget entlastet werden. Die dritte Bündnisstrategievariante schließt zwar die Aufrechterhaltung der amerikanischen Präsenz in Europa in ihr Konzept ein, befürwortet jedoch eine Verlagerung des Scherpunktes des US-amerikanischen Engagements hin zur Schaffung flexibler Optionen zur Intervention in Konflikte der Dritten Welt. Des weiteren wollen die Verfechter dieser Variante der von ihnen konstatierten stärkeren Verlagerung amerikanischer Interessen in den Bereich des Pazifiks Rechnung tragen. Beiden Zielen sollen durch einen Ausbau der flexiblen Truppen der Armee, der Special Forces aller Teilstreitkräfte, sowie der Marine und Lufttransportflotte Vorschub geleistet werden. Die US-Präsenz in Europa soll demgegenüber in den Hintergrund treten, was mit einer Verringerung der Stärke der dortigen US-Truppen auf ca. 100.000 Mann verbunden wäre. Diese sicherheitsstrategischen Grundpositionen sind entschieden vom globalen Konflikt der Supermächte USA und UdSSR - welcher sich in der gegenseitigen nuklearen Bedrohung ausdrückte - geprägt gewesen. Diesem Umstand Rechnung tragend, stand die Nuklearstrategie bis zum Ende der 1980er Jahre im Mittelpunkt der US-amerikanischen Strategiediskussion. Die Verfechter einer minimalistischen Nuklearstrategie befürworten das Konzept einer "Gesicherten wechselseitigen Zerstörung" (Mutual Assured Destruction, MAD), welches von der abschreckenden Wirkung eines hinreichenden Potentials an Kernwaffen ausgeht, das die USA im Zweitschlag zur Vernichtung eines erheblichen Teils der gegnerischen Bevölkerung und Infrastruktur befähigt. Über Art und Umfang der zur "Minimalen Abschreckung" fähigen amerikanischen Streitkräfte gab es zwischen den Befürwortern dieses Konzeptes erhebliche Differenzen. Die Counterforce-Strategie geht von der Möglichkeit aus, das gegnerische Nuklearpotential durch die Bereitstellung flexibler Optionen unterhalb der Schwelle eines massiven Zweitschlages ausschalten zu können. Die Verfechter dieser Position halten gezielte Schläge gegen gegnerische Militäreinrichtungen für geeigneter, eskalierende Kampfhandlungen zu beenden, als die Androhung oder Durchführung massiver Schläge gegen Bevölkerung oder Infrastruktur feindlicher Staaten. Um die Counterforce-Strategie zu realisieren, wird es für Notwendig erachtet, die Überlebensfähigkeit der drei Teile der US-amerikanischen Streitkräfte zu sichern, Führungs- und Kommunikationseinrichtungen gegen nukleare Angriffe zu schützen und die Streitkräfte mit flexiblen Waffensystemen im Nuklearbereich auszurüsten, um die mögliche Realisierung flexibler Optionen während den potentiellen Kampfhandlungen sicherzustellen. Von der Annahme, dass die Führung der UdSSR durch die Ausschaltung ihrer Machtinstrumente handlungsunfähig gemacht werden könne, geht die Countervailing-Strategie aus, die demnach vorrangig auf die Vernichtung von politischen und militärischen Führungseliten ausgerichtet ist. Weiterhin gibt es Vertreter von nuklearen Siegstrategien, die annehmen, dass der militärische Gegner in einem länger andauernden Nuklearkrieg auf Grund des größeren und flexibleren Eskalationspotentials der USA gezwungen werden kann, die Kampfhandlungen abzubrechen. Die Ausformung der konkreten Strategieplanung reicht von der Vernichtung "ethnischer Ziele" in der Sowjetunion, was zwischen den mehr oder minder betroffenen Volksgruppen des Landes Konflikte auslösen soll, welche eine Einstellung der Kampfhandlungen von Seiten der UdSSR mit sich bringen dürfte, bis zur Vernichtung der strategischen Reserve der UdSSR. Diese Strategien sind nur realisierbar, wenn die USA über das nukleare Gleichgewicht hinausgehende Potentiale strategischer Verteidigungssysteme besitzen. Die Verfechter von Defensiv-Strategien sind von der technischen und ökonomischen Überlegenheit der Defensive gegenüber der Offensive überzeugt. Sie sehen in der US-amerikanischen Fähigkeit, hochtechnisierte Waffensysteme zu schaffen, die Garantie für den Erfolg eines mehrschichtigen Verteidigungssystems bei potentiellen Angriffen des Gegners. Hierbei sollen in mehreren Phasen die sowjetischen Interkontinental- und U-Boot-Raketen von verschiedenen Verteidigungsriegeln - sowohl aus dem Weltraum, als auch vom Boden aus - zerstört werden. Allen Nuklearstrategien ist gemeinsam, dass sie bis zum Ende der 1980er Jahre von einem nuklearen Erstschlag der UdSSR ausgehen, der die Reaktion der USA zur schnellstmöglichen Beendigung der Kampfhandlungen zum Zwecke des Schutzes der Bevölkerung des eigenen Landes und der Verbündeten notwendig werden lässt. Diese, auf eine bipolare Weltordnung ausgerichteten Strategien verloren mit der Auflösung der Sowjetunion und der Aufteilung deren Nuklearpotentials ihren Ausgangspunkt. Das weitgehend kalkulierbare Risiko einer nahezu gleichwertigen gegnerischen Atommacht, wurde durch mehrere - im Handeln zunächst noch unberechenbare - Nachfolgestaaten mit erheblichem Nuklearpotential abgelöst. Die Bemühungen der USA, das ehemalige sowjetische Nuklearpotential auf russischem Boden wieder zu sammeln, ist ein Indiz für das Unvermögen der sicherheitspolitischen Debatte in den USA, den neuen weltpolitischen Bedingungen durch die Entwicklung einer veränderten Nuklearstrategie gerecht zu werden. Bis zum Ende der 1980er Jahre hatte die Diskussion konventioneller Strategien nur eine untergeordnete Funktion. Dabei wurde vor allem die Frage erörtert, wie die USA einer konventionell und taktisch-nuklear überlegenen und strategisch-nuklear gleichwertigen UdSSR durch die "Strategie der flexiblen Antwort" auf konventioneller Ebene erfolgreich entgegentreten könne. Extrem konservative Politiker sahen dabei in den konventionellen Streitkräften nur eine Demonstration des ernsthaften Verteidigungswillens der USA und in Krisensituationen einen auslösenden Faktor für den nuklearen Einsatz. Unter liberalen Rüstungskontrollanhängern wurde dagegen die Strategie der defensiven Verteidigung favorisiert, wobei leichte Infanterieverbände durch präzise Panzer- und Luftabwehrwaffen in die Lage versetzt werden sollten, den Vorstoß schwerer feindlicher Panzerverbände zu behindern bzw. aufzuhalten. In der politischen Mitte wurde dagegen die Stärkung der konventionellen Streitkräfte, sowie die Einführung modernerer Waffentechnologien in den konventionellen Bereich als Garantie für die Realisierung der Strategie der flexiblen Antwort angesehen. Wiederum stand bis zum Ende der 1980er Jahre eine potentielle Auseinandersetzung mit der UdSSR im Vordergrund der Diskussion konventioneller Strategien. Die weltpolitischen Veränderungen um die letzte Jahrzehntwende steigerten die Bedeutung konventioneller Strategien in der USA wieder. Das US-Engagement innerhalb einer multipolaren Weltordnung macht das Vorhandensein flexibler Militäroptionen im konventionellen Bereich - zur globalen Realisierung von Power Projection - notwendig. Die Marine hat für die "Insel" USA besondere Bedeutung. Durch sie ist die USA in der Lage, ihre maritimen Grenzen weiträumig abzuschirmen und in relativ kurzer Frist, auf Grund der weltweiten Dislozierung der Marineverbände, in beliebige Krisenherde einzugreifen. Im Lager der Liberalen wurde die Strategie der defensiven Seekontrolle befürwortet. Ihre Aufgabe war es, die pazifischen und atlantischen Seewege, vor allem zu den US-amerikanischen Interessensgebieten, freizuhalten. Daneben existierte eine, in den 1980er Jahren im Dunstkreis der konservativen Administration entwickelte, "Maritime Strategie", welche darauf abzielte, in militärischen Auseinandersetzungen die Kampfhandlungen frühzeitig an den militärischen Gegner heranzuführen. Diese Strategie war wiederum gegen den globalen Gegner UdSSR gerichtet und verlor mit der Auflösung dieses Staates an Bedeutung. Mit dem Wegfall der bipolaren Weltordnung müssen die in den 1980er Jahren diskutierten Strategiekonzepte, sowohl im umfassenden Rahmen als auch in den Strategiebereichen, auf ihre Anwendbarkeit in der neuen weltpolitischen Ordnung überprüft werden, was zu einem heftigen Aufflammen der Strategiediskussion in den USA geführt hat. Hierbei kamen die drei eingangs angeführten sicherheitspolitischen Denkschulen wieder zur Geltung. Im neuen weltpolitischen Kontext werden in hergebrachten Denkmustern Antworten auf brennende sicherheitspolitische Fragestellungen - wie Form und Funktion zukünftiger US-amerikanischer Präsenz in Europa , damit zusammenhängend die perspektivische Rolle der NATO als strategisches Bündnis unter Führung der USA und die Einschätzung der mittel- und langfristigen Bedrohung durch die UdSSR bzw. Russland, aber auch eine künftige, der nunmehr alleinigen Supermacht gerechten, Nuklearstrategie - gesucht. Da in der Diskussion noch mit weitgehend instabilen Größen, wie beispielsweise der nicht kalkulierbaren Perspektive der Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, operiert werden muss, wird die strategische Debatte in den USA weiterhin spannend bleiben.
3. Sicherheits- und Rüstungspolitik der US-Administrationen seit 1981
3. 1. Die Reagan-Administrationen (1981-1988)
Seinen überzeugenden Wahlsieg hatte Ronald Reagan im Jahre 1980 - zumindest auf außen- und sicherheitspolitischem Gebiet - weniger einem überzeugenden Programm , als der Enttäuschung vieler Amerikaner über die offensichtlich negativen Resultate der Außenpolitik Jimmy Carters zu verdanken. Propaganda-Kampagnen von Vereinigungen des neo-konservativen Spektrums in den USA, wie beispielsweise des "Committee on the Present Danger" (CPD), welchem auch Ronald Reagan angehörte, trugen in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre dazu bei, vor allem die Rüstungspolitik der Carter-Administration als für die führende Weltmacht unzureichend zu kritisieren. Diese Kampagnen wurden selbst während der beiden letzten Jahre dieser Administration fortgeführt, als Carter bereits eine Phase massiver Aufrüstung eingeleitet hatte. In der öffentlichen Meinung wurde so die Auffassung verstärkt, dass die Vereinigten Staaten ihrem Hauptgegner, der UdSSR, in ihrem militärischen Potential unterlegen sei. Dieser Eindruck wurde durch Ereignisse, die von den USA schlecht hätten beeinflusst werden können, wie die Invasion der UdSSR in Afghanistan und die Besetzung der amerikanische Botschaft im Iran durch islamische Fundamentalisten, noch verstärkt. Die Empfänglichkeit der amerikanischen Öffentlichkeit für solche Argumente sieht Hans R. Guggisberg in einer "Krise des nationalen Selbstverständnisses" begründet, welche ihre komplexen Ursachen in einem tiefen politischen, ökonomischen, sozialen, aber auch kulturellen Strukturwandel in den USA hatte. Außenpolitisch besaß Reagan bei seiner Wahl kein konkretes Konzept, nur visionäre Vorstellungen, welche er durch die Anwendung einfacher Maximen zu realisieren versuchen wollte. So beabsichtigte er, die Superiorität der USA in der Welt durch die Erneuerung der militärischen Stärke wiederherzustellen. Er verstand das Wählervotum vom November 1980 als Mandat für eine massive Aufrüstungspolitik und die Ersetzung der Entspannungspolitik der 1970er Jahre durch einen Kurs massiver Konfrontation und Isolation gegenüber der Sowjetunion, der - neben verbalen Attacken - durch die Reduzierung der bilateralen Kontakte auf einen lebensnotwendiges Level gekennzeichnet war. Reagan beschränkte die US-amerikanische Sicherheitspolitik und das amerikanisch-sowjetische Verhältnis weitgehend auf den militärischen Aspekt. Um ihr ursächliches Ziel, die Wiedererlangung militärischer Stärke, zu realisieren, setzte die Reagan-Administration zu Beginn ihrer Tätigkeit die Erhöhung des Verteidigungsbudgets für 1982 und 1983 um jeweils ca. 13 % im Kongress durch . Hiermit setzte sich ein Prozess fort, der sich zur ausgedehntesten Aufrüstungsphase der USA nach dem II. Weltkrieg ausdehnen sollte. Erstaunlicherweise bewilligte der Kongress ohne Vorhandensein einer überzeugenden Militärstrategie der Administration enorme Finanzmittel für den Verteidigungsbereich , was zu einer mehr oder minder unkontrollierten Aufstockung aller Teilbudgets führte, ohne das man dabei eindeutige Prioritäten setzte. Das Grundgerüst der Rüstungsplanung - zumindest für den Zeitraum bis 1986 - wurde von der Carter-Administration übernommen und nur geringfügig ergänzt. Die einzige wirkliche Neuerung im militärstrategischen Konzept Reagans war die im März 1983 verkündete Strategische Verteidigungsinitiative (Strategic Defense Initiative, SDI), welche eine nukleare Bedrohung mittels Mehrschichtverteidigung verhindern sollte. Diese schlecht vorbereitete, viel diskutierte und letztendlich nicht realisierte Initiative trug wenig zur Untermauerung eines realistischen Strategiekonzeptes der Reagan-Administration bei. Die jährlich vorgesehenen Steigerungsraten des Verteidigungshaushaltes standen im Widerspruch zu dem Wahlversprechen Reagans, das Haushaltsdefizit abzubauen. Dieses Defizit dehnte sich von 40 Mrd. US$ im Jahre 1980, dem letzten Regierungsjahr Carters, auf gut 200 Mrd. US$ zum Ende der beiden Reagan-Administrationen aus. Allein diese offenkundige Tatsache lässt den primären Stellenwert deutlich werden, welcher der Rüstung von dieser Administration beigemessen wurde. Die Rüstungspolitik konnte bis 1985 mit stetig steigendem Budget, danach mit stagnierender Quote, bis zum Ende der Amtszeit Reagans fortgeführt werden , da es um die Notwendigkeit der Rüstungspolitik zwischen den verantwortlichen Mitarbeitern der Administration keine Meinungsverschiedenheiten gab und eine erhebliche Budgetreduzierung im Kongress immer wieder verhindert werden konnte. Gegen die massive Aufrüstungspolitik der Reagan-Administration formierte sich bereits kurz nach deren Inangriffnahme ein stetig ansteigender innenpolitischer Widerstand. Diese Entwicklung hing vor allem mit einer nachlassenden Unterstützung in der öffentlichen Meinung für diese Politik zusammen , was auch im Fehlen der - nach dem republikanischen Wahlsieg weggefallenen - Rüstungsdefizitpropaganda des Wahlkampfteams Reagans begründet war. So waren 1982 - nach einer Umfrage - 57 % der Amerikaner der Auffassung, dass das nukleare Rüstungsprogramm eingefroren werden sollte. Zur selben Zeit wurde im Repräsentantenhaus eine Entschließung zur Einfrierung der nuklearen Waffenpotentiale der USA und der UdSSR nur mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt, bereits ein Jahr später war eine solche "Freeze"-Resolution im Repräsentantenhaus erfolgreich. Zur Eindämmung des expandierenden Haushaltsdefizits wurde 1985 im Kongress das "Gramm-Rudman-Hollings"-Gesetz verabschiedet, welches dieses Defizit auf ein bestimmtes Volumen begrenzte. Wenn diese Grenze überschritten würde, sollten Einsparungen am Budget vorgenommen werden, die zu 50 % den Militärhaushalt betreffen würden. Auf Grund dieses Gesetzes wurde das stetige Anwachsen des Verteidigungsbudgets gekappt und eine Phase der Einsparungen im Militärbereich - a. G. der auf Expansion ausgelegten Planungen - eingeleitet. Das immer noch vorhandene Defizit in der Rüstungsstrategie verursachte hierbei pauschale Kürzungen nach dem "Gießkannenprinzip", was wiederum dem Fehlen einer klaren Prioritätensetzung zu schulden war. Andreas Fürst sieht in dieser Politik eher eine "finanzielle Aufrüstung" , als eine Stärkung des amerikanischen Militärpotentials. Die Politik der Konfrontation gegenüber der Sowjetunion - eine Periode, die Ernst-Otto Czempiel als "Reagans Regime" bezeichnet - wurde von der Reagan-Administration erst 1984, unter zunehmenden innen- und außenpolitischen Druck, aufgegeben und durch eine Politik von "Realismus, Stärke und Verhandlungen" ersetzt. Diese Wandlung kann als Reaktion der Reagan-Administration auf eine veränderte inneramerikanische Stimmungslage angesehen werden. Beeinflusst von steigendem Haushaltsdefizit, sinkenden Sozialleistungen und einem seit 1981 wieder gestärkten militärischen Potential waren weite Kreise der Öffentlichkeit und der politischen Elite nicht mehr bereit, eine offensichtlich unbegründete Aufrüstungspolitik ohne parallele Rüstungskontrollverhandlungen mit der UdSSR hinzunehmen, was sowohl in der amerikanischen Friedensbewegung, als auch in verschiedenen Initiativen im Kongress zum Ausdruck kam. Die Aufnahme von Rüstungskontrollverhandlungen mit der UdSSR kann als ein taktisches Manöver der Reagan-Administration betrachtet werden, denn ein Einschnitt in die Rüstungspolitik wurde keinesfalls beabsichtigt. Außerdem half sie Ronald Reagan im Jahre 1984 seine Wiederwahl mit phänomenalem Ergebnis zu sichern. Die gegenüber der UdSSR nunmehr gemäßigte Politik führte seit dem Jahre 1985, neben den Abrüstungsgesprächen auf verschiedenen Gebieten, zu mehreren Gipfeltreffen mit dem neuen Generalsekretär der KPdSU, Michael Gorbatschow. Bei einer derartigen Gelegenheit konnte im Jahre 1987 durch beide Politiker, nach mehreren Rückschlägen in den bilateralen Verhandlungen, eine Abkommen zur Reduzierung der nuklearen landgestützten Mittelstreckenraketen (Intermediate Range Nuclear Forces, INF) unterzeichnet werden, was zwar die erste Vereinbarung zur Abrüstung von Nuklearwaffen darstellte, nach Czempiels Ansicht jedoch nicht als wahrhafter Durchbruch in der bilateralen Rüstungskontrollpolitik gewertet werden kann, denn dies hätte auf amerikanischer Seite eine grundlegende Änderung in der Rüstungspolitik zur Folge gehabt haben müssen. Warum ließ sich die Reagan-Administration dann aber auf Rüstungskontrollverhandlungen ein? Diese Frage kann man zunächst mit dem ursächlichen und langfristig wirkenden Konzept der Reagan-Administration, der Wiederherstellung der militärischen Stärke der USA mittels massiver Aufrüstung, beantworten. In einem für diese Politik zunehmend ungünstigeren Klima in der US-amerikanischen Öffentlichkeit musste der Präsident gegenüber dem Kongress Zugeständnisse in Hinsicht einer potentiellen Begrenzung des Rüstungswettstreits durch Rüstungskontrollverhandlungen machen, um wiederum von diesem neue Finanzmittel für die Weiterführung des, angesichts wahrscheinlich ausbleibender Erfolge bei diesen Verhandlungen weiterhin notwendigen, Rüstungsprozesses bewilligt zu bekommen. Das Reagan schließlich einer realen Abrüstung eines kleinen Teils des Nuklearpotentials zustimmte, hat sicherlich auch mit persönlicher Eitelkeit eines in absehbarer Zeit aus dem Amt scheidenden Staatsoberhauptes zu tun. Des weiteren wirkten während der gesamten Dauer der Reagan-Administration in ihrer Einstellung zur Rüstungskontrollfrage durchaus heterogene Kräfte an der praktischen Realisierung US-amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik mit. Von Michael Staack werden diese in zwei verschiedene Gruppen differenziert: Entspannungsgegner und Entspannungskritiker , welche jene Politik an unterschiedlichen Stellen in unterschiedlicher Weise beeinflusst haben, was zu einer allmählichen - auch außenwirksamen - Veränderung dieser Politik führte. Massive Aufrüstung stand im Mittelpunkt der Sicherheitspolitik der Reagan-Administration, und zwar um die UdSSR von aggressiven Maßnahmen abzuschrecken . Aber welches strategische Konzept kann man hinter dieser Politik erkennen? Im Bereich der strategischen Grundorientierungen ist von der Reagan-Administration die Strategie des maritimen Unilateralismus bei parallelem Festhalten an den Bündnisverpflichtungen verfolgt worden. Die Verteidigungsbudgets ohne klare Prioritäten ermöglichten der Administration Optionen für beide Strategierichtungen zu realisieren, wobei sich eine Gewichtung von "reorganisatorischen und haushaltlichen Akzenten" im Laufe der Administration in Richtung der "unilateralistischen, maritimen, interventionistischen Strategie" erkennen lässt. Bei der Nuklearstrategie ist ebenfalls kein klares strategisches Konzept zu erkennen. Deklamatorisch bewegte sich die Administration von der Bevorzugung einer Siegstrategie zur einer Defensivstrategie. Im Forschungs- und Beschaffungsprogramm sind weiterhin die Bereitstellung von Optionen für die Countervailing-Strategie zu verzeichnen , hier sind z. B. Waffensysteme zum Einsatz gegen gehärtete Ziele (Erdpenetration) und der Vorrang der fest stationierten MX-Interkontinentalrakete vor der mobilen Midgetman-Interkontinentalrakete, welche zur strategischen Stabilität hätte beitragen können, zu nennen. Das visionäre Konzept der SDI scheint bereits in Richtung einer Defensivstrategie-Option zu deuten, ist aber nach Czempiels Auffassung ein Symbol offensiver Strategie . Bei der Realisierung der SDI wäre außerdem das Defizit der nuklearen Bloßstellung der Bündnispartner eingeschlossen gewesen, was man als eine unilateralistische Tendenz in diesem Konzept interpretieren kann. Im Bereich der konventionellen Strategie kann eine Hinwendung der Administration zu einer Offensiv-Strategie konstatiert werden. In dieser Zeit wurde von der Army das "Air-Land-Battle"-Konzept entwickelt, welches unter Einsatz von zielgenauen und leistungsstarken Waffensystemen eine Vorwärtsverteidigung bis in das gegnerische Hinterland, ca. 120 - 150 km, ermöglichen sollte, um dessen Vormarsch stoppen und seinen Nachschub unterbinden zu können. Dieses Konzept ist für eine globale Anwendung vorgesehen. Im konkreten Einsatz kam es aber erst unter der Bush-Administration, im Konflikt mit dem Irak im Jahre 1991, zur Anwendung und löste das bis dahin bei derartigen "begrenzten" Kriegen vorherrschende Konzept des Low-Intensity-Conflict (LIC) ab. Mit dem Air-Land-Battle-Konzept und dem Ausbau der globalen Dislozierung amerikanischer Militärverbände durch die Einrichtung des Central Command, zuständig für den Persischen Golf, den Ausbau der Special Operations Forces, der Rapid Deployment Force, leichter, mit hochtechnisierten Waffensystemen ausgerüsteter Army- und Marineinfanterieverbände, sowie der Erweiterung der strategischen Transportkapazität wurde der unilateralistisch-interventionistischen Komponente der strategischen Grundorientierungen der USA Vorschub geleistet. Im maritimen Bereich wurde von der Reagan-Administration die sogenannte "Maritime Strategie" verfolgt, welche eine deutliche Überlegenheit der USA gegenüber der UdSSR auf diesem Sektor herbeiführen und die Fähigkeit der Vereinigten Staaten zur globalen Power Projection verbessern sollte. Trotz massiver Aufrüstung in diesem Bereich wurde die 600-Einheiten-Marke bei der Flottengröße nicht erreicht. Grundsätzliche Bedeutung hatte in allen Strategiebereichen die Erforschung und Entwicklung neuer, leistungsfähiger Waffensysteme, was sich auch auf die Budgets niederschlug.
3. 2. Die Bush-Administration (1989-1992)
Der im November 1988 zum Nachfolger Ronald Reagans gewählte George Bush verfügte zum Zeitpunkt seiner Amtseinführung über reiche außenpolitische Erfahrungen. Der neue Präsident konzentrierte seine Aktivitäten hauptsächlich auf dieses Politikfeld. Er professionalisierte die Führung der US-amerikanischen Außenpolitik wieder und verstand es, Mitarbeiter um sich zu scharen, die - im Gegensatz zu früheren Administrationen - die Realisierung einer loyalen und konzentrierten Außen- und Sicherheitspolitik ermöglichten. Die Reaktion der Bush-Administration auf die im Jahre 1989 einsetzenden Umbrüche in Ost- und Ostmitteleuropa waren durchaus ambivalent. Zwar wurden die Entwicklungen befürwortet, wobei man sie vor allem als Sieg der USA im "Kalten Krieg" auffasste, jedoch kam die Unterstützung des Reformprozesses über verbale Bekundungen und halbherzige Hilfsaktionen nicht hinaus. Insbesondere die UdSSR wurde weiterhin als potentiell militärischer Gegner reflektiert, so dass die Bemühungen um die Reduzierung des beiderseitigen Nuklearpotentials vor einer effektiven Stabilisierung der innenpolitischen Situation in der UdSSR, welche zunehmend chaotischer wurde, Vorrang hatte. Man muss konstatieren, dass die Bush-Administration ihre Sicherheitspolitik nicht mehr allein aus dem verengenden Handlungsspielraum des eigenen Militärpotentials heraus betrieb, so stellte Bush angesichts der dramatischen Veränderungen im internationalen Staatengefüge die Notwendigkeit zur Schaffung einer "Neuen Weltordnung" - natürlich unter US-amerikanischer Führung - fest. Das Engagement dieser Administration in der Dritten Welt verdeutlichte jedoch den weiterhin wichtigen Stellenwert militärischer Optionen für US-amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik in diesem Raum, was anhand der Intervention in Panama (1989), wie auch der "Befreiung" Kuwaits (1991) verdeutlicht werden kann. Angesichts innenpolitischer Schwierigkeiten, insbesondere des wachsenden Haushaltsdefizits und der daraus folgenden Notwendigkeit des Sparens, vor allem auf militärischem Gebiet , und außenpolitischer Notwendigkeiten, der Zerfall des einstigen Gegners UdSSR ließ die sichere Perspektive von ca. 27.000 nuklearen Sprengköpfen fraglich erscheinen, bemühte sich Bush weiter um Fortschritte bei den gegenseitigen Abrüstungsverhandlungen. Dabei verfolgte Bush neben dem Motiv der Nichtweiterverbreitung vor allem auch die Stabilisierung des amerikanischen Nuklearpotentials auf einen unteren, aber für die Realisierung amerikanischer Sicherheitsinteressen ausreichendem Level. Diese Initiative kann man durchaus als einen Schritt in Richtung einer minimalistischen Nuklearstrategie interpretieren. Im Bereich der strategischen Grundorientierungen verfolgte die Bush-Administration, ebenso wie die vorangegangene Administration, eine Mixtur aus Bündnisstrategie und Unilateralismus. Der Schwerpunkt der Sicherheitspolitik bewegte sich dabei in Richtung einer interventionistischen Bündnisstrategie im konventionellen Bereich. Den neuen weltpolitischen Bedingungen Rechnung tragend, war von der Bush-Administration die Beibehaltung eines strategischen Nuklearpotentials auf niederem Niveau zur Abschreckung vorgesehen. Hierbei sollte die Counterforce- mit der Verteidigungsstrategie in pragmatischer Weise verknüpft werden. So sollten Counterforce-Optionen durch die Weiterentwicklung nuklearstrategischer Offensivwaffen erhalten werden, wobei sich das Sprengkopfverhältnis gegenüber der UdSSR nach Abschluss des ersten START-Vertrages (Strategic Arms Reducing Talks) erheblich günstiger gestaltete, als zuvor (9000 amerikanische gegen 7000 sowjetische Sprengköpfe). Daneben sollte ein begrenztes Raketenabwehrsystem entwickelt werden, welches gegen unautorisierte Abschüsse von Nuklearwaffen aus sowjetischen bzw. ehemals sowjetischen Beständen schützen sollte. Im konventionellen Bereich war die Bush-Administration ebenfalls bemüht, den Anforderungen einer nunmehr multipolaren Weltordnung gerecht zu werden. Bei der Intervention in Panama im Dezember 1989 kam noch einmal das Konzept des Low-Intensity-Conflict in unilateralistischer Ausformung zu Geltung, in der Auseinandersetzung mit dem Irak zu Beginn des Jahres 1991 wurde das Air-Land-Battle-Konzept, d. h. Einsatz massiver, hochgerüsteter Verbände aller Teilstreitkräfte zur schnellen Entscheidung des Konfliktes zu Gunsten der USA, in sehr erfolgreicher Form angewendet. Dabei waren die USA um die Mitwirkung ihrer Verbündeten in militärischer wie finanzieller Hinsicht bemüht, außerdem ließ die Bush-Administration die Entsetzung Kuwaits von der internationalen Staatengemeinschaft in Form der Vereinten Nationen sanktionieren. Dieses Vorgehen scheint bereits in die Strategie der Bush-Administration zur weltweiten Konfliktlösung eingeflossen zu sein, wie Bushs ausführliches Angebot an die Vereinten Nationen vom 21. September 1992 in dieser Hinsicht verdeutlichte. Allerdings waren die USA bisher nicht bereit, die militärische Führung bei Interventionen unter der Flagge der Vereinten Nationen, wo amerikanische Interessenssphären tangiert wurden, oder größere US-amerikanischen Militärkontingente beteiligt waren aus der Hand zu geben , wobei man sich auf seine militärische "Erfahrung beim Gewinnen von Kriegen" berief. Das Bemühen um stärkere internationale Unterstützung US-amerikanischer Weltpolitik kann man als Indiz für die Steigerung der Bedeutung von Bündniskonzepten in der Strategie der Bush-Administration werten, wobei sowohl das Bemühen um Entlastung auf militärischen, wie finanziellen Gebiet als Handlungsmotiv angenommen werden kann. Die Bereitstellung hochgerüsteter und trotzdem flexibler Einheiten aller Teilbereiche des Militärs für derartige Einsätze in den USA, denen durch die Bereitstellung vergrößerter Transportkapazität das schnellstmögliche Erreichen von Krisenherden weltweit ermöglicht werden soll, gilt als Schwerpunkt für die strukturelle Wandlung der US-amerikanischen Streitkräfte zur Realisierung dieses interventionistischen Einsatzkonzeptes. Weiterhin wurde von der Bush-Administration die Beibehaltung deutlicher US-amerikanischer Präsenz in Europa befürwortet, welche die globale Flexibilität der USA in Hinsicht auf Erreichbarkeit von Krisenherden, durchaus auch in Zusammenarbeit mit den Verbündeten, ergänzen soll. Eine entscheidende strategische Veränderung der Bush-Administration im konventionellen Bereich ist die erfolgreiche Ablösung des noch in den 1980er Jahren häufig eingesetzten Low-Intensity-Conflict-Konzepts durch die bereits unter der Reagan-Administration entwickelte Air-Land-Battle-Doktrin. Im Bereich der Marine wurde während der Bush-Administration am Stärksten gespart, was zu einer erheblichen Reduktion der Flottenstärke führen sollte. Daneben trat die "Maritime Strategie" der Reagan-Administration gegenüber der Funktion der Unterstützung der anderen Teilstreitkräfte bei der globalen Durchsetzung amerikanischer Interessen in den Hintergrund. In Asien sollte eine verminderte US-amerikanische Präsenz in Zukunft vor allem auf maritime Komponenten gestützt werden.
3. 3. Ansätze einer Sicherheitspolitik der Clinton-Administration
Der im November 1992 gewählte demokratische Präsident Bill Clinton verdankte seine Wahl vor allem dem Bedürfnis der Wähler nach einem innenpolitischen Wandel. Im Wahlkampf hielt sich Clinton auf außenpolitischem Gebiet bedeckt, da er sich bewusst war, dass er hier seinem Rivalen George Bush ob dessen außenpolitischen Erfahrenheit nicht das Wasser hätte reichen können. Darüber hinaus war die US-amerikanische Gesellschaft für innenpolitische Fragen sensibilisiert und brachte der Außenpolitik im Wahlkampf wenig Interesse entgegen, was als Forderung zur kontinuierlichen Fortsetzung der im Grunde positiv empfundenen Außenpolitik Bushs verstanden werden kann. Die wenigen Ausführungen Clintons zur Sicherheitspolitik im Wahlkampf können als verhaltene Kritik am sicherheitspolitischen Kurs des damaligen Amtsinhabers gewertet werden, wobei "Versprechungen, eine andere Politik zu betreiben" sogleich wieder relativiert wurden, und er so die Möglichkeit weitgehender Kontinuität offen ließ. So verkündete Clinton beispielsweise, das er bis 1997 60 Milliarden US$ mehr im Verteidigungshaushalt einsparen wolle, als die Bush-Administration dies vorsah, wobei er aber gleichzeitig erklärte, dass er vor einem notwendigen Einsatz militärischer Mittel nicht zurückschrecken werde, außerdem die militärische Macht für derartige Einsätze auch erhalten werden wird. Auf sicherheitspolitischer Ebene konnte die auf die Lösung innenpolitischer Probleme konzentrierte Clinton-Administration zu Beginn ihrer Amtszeit erst allmählich Profil gewinnen. Zunächst war sie auf die Wahrung sicherheitspolitischer Kontinuität zur letzten Administration bemüht , wobei es ihr nicht allein um die Verwaltung des Bush-Erbes, sondern auch um eine klarere Strukturierung der US-amerikanischen Sicherheitspolitik ging. Sicherheitspolitik wurde von Clinton vor allem als ein kollektives Zusammenwirken multilateraler Kräfte, natürlich unter Führung der USA , bei der weltweiten Durchsetzung von demokratischen und humanistischen Werten verstanden. Diese Doktrin, Förderung bzw. Erzwingung von Demokratie und freiem Handel, war keineswegs neu, sondern bestimmte das Handeln der USA bereits während der gesamten Dauer des Kalten Krieges. Neuartig war lediglich die Form der Realisierung dieses Anspruches, so dürfte bei Clinton die "Pro-Demokratie-Politik im Vergleich zu seinen Vorgängern stärker idealistisch" inspiriert worden sein. Innen- und außenpolitische Notwendigkeiten werden der Clinton-Administration den Blick für eine realistische Sicherheitspolitik aber stets freihalten. Die ersten Aktivitäten der neuen Administration auf sicherheitspolitischem Gebiet greifen Impulse der Bush-Administration auf. Kontinuität kennzeichnet Clintons Außenpolitik im ersten Amtsjahr stärker, als Veränderung. Das Motto der globalen Pro-Demokratie-Politik Clintons, "together where we can; on our own where we must" , signalisiert die weitere Bereitschaft der USA zu internationalem Engagement, wobei eine stärkere Akzentuierung auf die Notwendigkeit von internationaler Kooperation gelegt wird. Clinton bietet beispielsweise den Vereinten Nationen, wie bereits Bush , Unterstützung beim Aufbau einer "Schnellen Eingreiftruppe" an. Der innenpolitische Widerstand in den USA gegen den Einsatz US-amerikanischer Truppen in Konflikten, welche nicht elementare Sicherheitsinteressen der USA tangieren, ist angesichts des immensen Haushaltsdefizits groß, Konzepte multilateraler Kooperation, die amerikanische Steuergelder sparen, gleichzeitig aber die US-amerikanische Führungsrolle in der Welt nicht in Frage stellen, wären dazu geeignet, die Akzeptanz solcher Missionen in den USA zu steigern. In Bündnisfragen versucht die Clinton-Administration etwas andere Prioritäten zu setzten, als ihre Vorgängerin. So wurde rasch die wichtige Rolle einer "neuen pazifischen Gemeinschaft" in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA betont, wobei dort die militärische Präsenz der USA etwa konstant bleiben soll, in Europa wird dagegen eine Minderung der US-Truppen vorgesehen. Hierin liegt ein weiterer Akzent der Bündnispolitik Clintons. Auf Grund des weggefallenen Ost-West-Konfliktes und der voranschreitenden europäischen Integration, auch auf militärischem Gebiet, wird - unter Beibehaltung der NATO-Strukturen - eine Präsenzgröße US-amerikanischer Truppen unter 100.000 Mann in Europa angestrebt. Der Schwerpunkt der Bündnisstrategie der Clinton-Administration soll also in den Pazifik verlagert werden. Die Gründe liegen hier, nach Auffassung von Gerhard Schweigler, in den engen ökonomischen Beziehungen, welche die USA in die pazifische Region unterhalten, und die unbedingt sicherheitspolitischer Stabilität bedürfen. Demnach sind innenpolitische Erwägungen wichtige Motive für die Gestaltung der US-amerikanischen Sicherheitspolitik. Im nuklearstrategischen Bereich war die Clinton-Administration bisher vor allem um enge Kooperation mit der russischen Führung bei der Reduzierung des beiderseitigen Nuklearpotentials und der Verhinderung nuklearer Proliferation bemüht. Aber auch hier baut die Clinton-Administration, in konzeptioneller Hinsicht, auf Arbeit ihrer Vorgängerin auf. Die "Kollektive Denuklearisierung" ist ein Element der "Kontinuität im Wandel" der US-amerikanischen Außenpolitik. Die mit dem Erfolg dieser Politik einhergehende Verminderung des Nuklearpotentials der USA stößt, angesichts der ungewissen Entwicklung in Russland, und der damit latent erhalten bleibenden Bedrohung aus dieser Richtung - eine Folge des aus der Auflösung von staatlichen und zwischenstaatlichen Strukturen in Osteuropa resultierenden Sicherheitsdilemmas -, auf heftige Kritik innerhalb der US-amerikanischen Debatte um die Nationale Sicherheit , die bisher noch durch kein überzeugendes Strategiekonzept entkräftet werden konnte. Betrachtet man die bisherige Sicherheitspolitik der Clinton-Administration im Kontext der im 2. Kapitel geschilderten sicherheitspolitischen Debatte, so kann man diese schwerpunktmäßig als multilateral-interventionistische Politik bezeichnen, wobei die Auffassung von multilateraler Zusammenarbeit der Clinton-Administration auf diesem Sektor weit über den Horizont konventioneller US-amerikanischer Bündnispolitik hinausweist. Unilateralistisches Vorgehen bei der Durchsetzung amerikanischer Interessen, die die Clinton-Administration nicht nur in bedrohter Sicherheit der USA, sondern auch im weltweiten Demokratie- und Humanismusdefiziten sieht, wird aber von dieser Administration nicht kategorisch ausgeschlossen. Die Priorität internationaler Kooperation legt der US-amerikanischen Sicherheitsstrategie, im Vergleich zur Politik der Reagan-Administration, einen grundlegend veränderten Ansatzpunkt zugrunde. Die, von Clinton zum Prinzip seiner Außenpolitik erhobene, Realisierung eines Systems kollektiver Sicherheit in der Welt eröffnet den Vereinigten Staaten die Chance zur Wahrung ihres globalen Führungsanspruches mittels einer für die USA effektiveren, d. h. auch innenpolitisch durchsetzbareren Militärpolitik. Entscheidend für die Charakterisierung der bisherigen Außenpolitik der Clinton-Administration ist aber, dass ihr Schwerpunkt von der Sicherheits- auf die Außenwirtschaftspolitik verlagert wurde. Diese Akzentverlagerung weist die Richtung für die US-amerikanische Außenpolitik der nächsten Jahre, da die Vereinigten Staaten, auch in Anbetracht ihrer eigenen ökonomischen Probleme, um eine stärkere internationale Zusammenarbeit auf nichtmilitärischem Gebiet bemüht sein müssen, damit einerseits ihr Verteidigungsbudget durch Senkung des internationalen Sicherheitsdefizits reduziert und andererseits ihre Wirtschaftskraft durch internationalen Kapitalaustausch und Erschließung neuer Märkte gesteigert werden kann.
Im Bereich der Sicherheitspolitik waren die politischen Akteure im betrachteten Zeitraum bemüht, den für die nationale Sicherheit der USA - nach ihrer Auffassung - richtigen Weg zu gehen. Das Verfolgen der Positionen nur einer strategischen Schule über längere Zeiträume hinweg ist nicht zu verzeichnen. Eine solche Politik hätte auch unweigerlich zu einer tendenziösen und einseitigen, d. h. unflexiblen und damit schlechten Politik in diesem Bereich geführt. Eine gewisse Ausnahme stellt jedoch die Reagan-Administration mit ihrer durchgängig verfolgten Rüstungspolitik dar, welche das Level des Verteidigungsbudgets trotz aller Sparmaßnahmen dauerhaft, d. h. bis heute, gesteigert hat. Die Sicherheitspolitik war im betrachteten Zeitraum durch eine pragmatische Verknüpfung von unilateralistischen Internationalismus und Bündnisstrategien gekennzeichnet, wobei der Isolationismus quasi keine Rolle in der Sicherheitspolitik der Administrationen spielte. Natürlich gab es zwischen den einzelnen Administrationen Differenzen bei den Schwerpunkten der Sicherheitspolitik. Die Reagan-Administration verfolgte, neben einer dauerhaft massiven Aufrüstungspolitik, in den ersten zwei bis drei Jahren ihrer Amtszeit eine ideologisch inspirierte Konfrontationspolitik gegenüber dem globalen Gegner UdSSR. Diese Politik wurde aber spätesten 1984 durch innen- und außenpolitische Notwendigkeiten relativiert. So stellte die Amtsübernahme Reagans im Jahre 1981, wie dies zunächst den Anschein hatte, in der langfristigen Betrachtung keine Wende zum radikalen Konservatismus dar. Vielmehr wird zum Ende der Amtszeit Reagans der erste wirkliche Abrüstungsvertrag geschlossen, was einerseits durch die innenpolitischen Veränderungen in der UdSSR, andererseits aber auch durch die sicherheitspolitische Flexibilität der Reagan-Administration ermöglicht wurde. Diesem Signal folgte wenige Zeit später der Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung des Ost-West-Konfliktes. Den hieraus resultierenden sicherheitspolitischen Herausforderungen sah sich die Administration des außenpolitisch erfahrenen George Bush gegenüber. Seine Sicherheitspolitik kennzeichnete die Suche nach Antworten auf die Herausforderungen der neuen, multipolaren Welt. Neben der Entwicklung der Idee einer strategischen Partnerschaft mit Russland, sowie der Programmierung einer "Neuen Weltordnung", blieb Bush doch in veralten sicherheitspolitischen Denkmustern verhaftet, die seine sicherheitspolitischen Konzepte für eine künftige Entwicklung ungeeignet erscheinen lassen. Hier erweist sich Bush außenpolitische Erfahrung als eine ambivalente Qualität, die ihn einerseits - angesichts der radikalen weltpolitischen Veränderungen der beginnenden 1990er Jahre - nicht in sicherheitspolitische Panik verfallen ließ, andererseits aber die Suche innovativer und unkonventioneller Sicherheitskonzepte erschwert hat. Hierin liegt die Chance des jetzigen Präsidenten Bill Clinton. Wenn es ihm gelingt, durch innovatives Weiterentwickeln der neuen Ansätze der Bush-Administration und gleichzeitiger Entwicklung unkonventioneller Ideen die gegenwärtigen sicherheitspolitischen Herausforderungen sowohl auf nationaler, wie internationalen Ebene zu meistern, kann sein sicherheitspolitisches Konzept, wenn er ein solches entwickelt haben wird, eine Zukunft haben. Zunächst scheint der Erfolg seiner bisherigen Politik - mit konventionellen Maßstäben gemessen - noch gering zu sein, jedoch verdeutlicht beispielsweise der Rückzug der USA aus Somalia, dass Clinton aus dem geringen Erfolg der Sicherheitspolitik der Bush-Administration, denn die Somalia-Aktion wurde noch unter dieser infiziert, seine Schlüsse gezogen hat und diese nicht mit den gleichen Mitteln fortsetzen will. Hoffen lässt vielmehr, dass die Clinton-Administration auf stärkere internationale Zusammenarbeit, vor allem auf nichtmilitärischem Gebiet, setzt.