Wiederbewaffnung in der SBZ/DDR zwischen 1945 und 1955
Inhalt
1. Einleitung 2. Sowjetische Vorstellungen und alliierte Festlegungen zur Entmilitarisierung Deutschlands 3. Aufbau eines Polizeiapparates in der SBZ 1945 - 1947 4. Schaffung einer kasernierten Polizeitruppe mit militärischem Charakter 1948 - 1952 5. Ausbau der KVP 1953-1955 6. Zusammenfassung
1. Einleitung
Die getrennte Entwicklung von Ost- und Westdeutschland, und deren Integration in das jeweilige militärische und ökonomische Bündnissystem, stellten die prägenden Erscheinungen des 'Kalten Krieges' auf deutschem Boden dar. Der aus den ideologischen Gegensätzen erwachsene Konflikt zwischen der Sowjetunion (SU) und den westlichen Alliierten, USA, Großbritannien und ab Mitte 1945 auch Frankreich, führte - abweichend von den wichtigsten im II. Weltkrieg geäußerten interalliierten Vorstellungen über das deutsche Schicksal - zu der Instrumentalisierung des jeweiligen Besatzungsgebietes für die Austragung dieses Konfliktes.
Über die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland gibt es seit dieser Zeit eine umfassende Diskussion in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit. Dagegen konnte in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)/Deutschen Demokratischen Republik (DDR) auf Grund der herrschenden gesellschaftlichen und politischen Bedingungen über die Einbeziehung derselben in das sowjetisch bestimmte System Osteuropas keine offene Auseinandersetzung entstehen. Im Westen sind diese Vorgänge bisher - auf Grund der unzulänglichen Quellenlage - auch nur unzureichend dargestellt worden.
Ich möchte mich im folgenden mit dem Hergang der militärischen Aufrüstung der SBZ/DDR befassen, welcher in der vorhandenen Literatur für diesen Zweck meines Erachtens ausreichend beschrieben wurde. Für eine umfassende Behandlung dieses Themas wäre freilich das Studium nun zugänglicher Akten aus ostdeutschen und sowjetischen Archivbeständen notwendig, was jedoch den Rahmen dieser Arbeit weit überschreiten würde.
Der Schwerpunkt meiner Darstellung soll auf der Behandlung des Aufbaus der "de facto" Armee innerhalb der Deutschen Zentralverwaltung des Inneren (DVdI) und des Ministeriums des Inneren (MdI) liegen, wobei ich mich bei den Detailangaben hauptsächlich auf die mir zugänglichen Arbeiten von Alexander Fischer und Gerhard Wettig beziehe.
2. Sowjetische Vorstellungen und alliierte Festlegungen zur Entmilitarisierung Deutschlands
Die Planungen der alliierten Kriegskoalition für die Behandlung des besiegten Kriegsgegners Deutschland waren auf allen Seiten von dem Bemühen geprägt, eine wirksame Garantie dafür zu erhalten, dass von Deutschland in absehbarer Zeit keine internationale Aggression mehr ausgehen könne. Insbesondere die Sowjetunion hatte ein lebhaftes Interesse an der Vernichtung der Grundlagen der deutschen Militärmacht, was für sie - neben der oben erwähnten Beseitigung eines potentiellen Kriegsherdes - die Ausschaltung ihrer stärksten mitteleuropäischen Konkurrenzmacht mit sich bringen sollte. Als besten Schutz vor der latenten Kriegslust der Deutschen sah Josef Wissarionowitsch Stalin die konsequente Entwaffnung Deutschlands, insbesondere auf wirtschaftlicher Ebene an. Ende 1944 beschäftigte sich deshalb in Moskau eine Sonderkommission unter Vorsitz von Georgij Malenkow mit der Frage der wirtschaftlichen Entmilitarisierung Deutschlands, wobei die Planungen "...auf eine vollständige, nicht näher differenzierte Demontage der deutschen Industrie..." hinausliefen. Hierbei war nach Meinung Gerhard Wettigs nicht so sehr das auf Grund der großen Zerstörung enorme sowjetische Reparationsbedürfnis, als vielmehr ein verständliches Sicherheitsverlangen vor dem gerade niedergerungenen Feind entscheidend. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Stalin zumindest zu jenem Zeitpunkt nicht mit einer dauerhaften sowjetischen Militärpräsens in Deutschland rechnete, da er wohl annahm, dass die westlichen Alliierten auf Friedensbedingungen mit dem besiegten Deutschland bestehen könnten, welche ein sowjetisches Verbleiben auf deutschem Boden unmöglich machen würden.
Auf der alliierten Gipfelkonferenz in Jalta/Krim wurden von den 'Großen Drei' konkrete Absichten über den Umgang mit dem in absehbarer Zeit besiegten Deutschland formuliert. So sollten die deutschen Streitkräfte aufgelöst, der Generalstab "für alle Zeiten zerschlagen", die Rüstungsindustrie liquidiert und die Kriegsverbrecher bestraft werden.
Stalin verstand unter der Forderung nach einer wirksamen Entmilitarisierung die Notwendigkeit weitreichender, gesellschaftlicher Veränderungen in Deutschland. So waren für ihn die preußischen Junker in den deutschen Ostgebieten, neben dem monopolistischen Industriekapital, die Träger des deutschen Militarismus, die beseitigt, d. h. ihrer ökonomischen Grundlagen beraubt werden müssen.
Während der letzten Gipfelkonferenz der alliierten Kriegsgegner Deutschlands in Potsdam wurden die Verhandlungen auf Basis der amerikanischen Vorschläge geführt, die mit wenigen Änderungen verabschiedet wurden. Die getroffenen Veränderungen kamen hauptsächlich dem sowjetischen Standpunkt entgegen. Für die Entmilitarisierung Deutschlands waren folgende Festlegungen von Bedeutung: Militärische und paramilitärische Organisationen sowie alle Clubs und Vereine, welche die militärischen Traditionen Deutschlands pflegen wollten, sollten verboten werden; Produktionsverbote, so u. a. für Hochseeschiffe, sollten durchgesetzt werden; die Erzeugung von direkt der Kriegswirtschaft dienenden Gütern sollte starken Kontrollen unterworfen werden; eine alliierte Kontrolle über Industriebetriebe und rüstungsrelevante Forschungseinrichtungen sollte installiert werden; Kartelle, Syndikate, Trusts und andere monopolistische Gebilde sollten beseitigt werden; der wirtschaftliche Schwerpunkt eines künftigen deutschen Staates sollte auf der Landwirtschaft und 'friedlicher' Industrie liegen.
Die weitgehende Übereinstimmung der drei Alliierten in der Frage der Vernichtung der Grundlagen des deutschen Militarismus war wohl den zurückliegenden gemeinsamen Erfahrung des Krieges gegen Deutschland zuzurechnen, wobei man die gleichlautenden Formulierungen, auf Grund des differierenden ideologischen Verständnisses, verschieden interpretierte. Diese Interpretationsunterschiede ermöglichten es der Sowjetunion sich in den darauffolgenden Jahren bei ihrer Deutschland-Politik stets auf die Potsdamer Prinzipien zu berufen, obwohl diese Politik aus westlicher Sicht wenig mit Demokratie oder Frieden zu tun hatte.
Vom alliierten Kontrollrat wurden zahlreiche Verfügungen zur administrativen Verwirklichung der Entmilitarisierung der deutschen Industrie und Gesellschaft erlassen. Bereits am 30. August 1945 verbot er mit dem Befehl Nr. 1 das Tragen von militärischen Uniformen, Rangabzeichen und Orden. Am 20. September setzte er anschließend mit der Proklamation Nr. 2 die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz in die administrative Realität um. Neben dem Verbot von Organisationen mit militärischem Charakter, wurden alle militärischen Übungen oder Propagandaaktivitäten untersagt; industrielle Produktion und Verteilung, sowie die Schifffahrt wurden unter alliierte Kontrolle gestellt. Außerdem wurde eine Reform des deutschen Rechts-, Gerichts-, Polizei-, Verwaltungs- und Erziehungswesens angekündigt. Am 30. November wurden durch das Gesetz Nr. 8 jegliche militärische Schulungen, Schaustellungen, Kleidungen und Dekorationen verboten, außerdem wurden alle Veteranen- und Traditionsvereine aufgelöst. Wehrsportvereine wurden mit der Direktive Nr. 23 vom 17. Dezember verboten. Die übrigen Sportvereine wurden unter strenge Kontrolle genommen. Erst der Befehl Nr. 2 vom 7. Januar 1946 verbot jeglichen Waffenbesitz, wobei es streng kontrollierte Ausnahmeregelungen für die Polizei gab. Der Bau und Betrieb von militärischen Anlagen wurde mit dem Gesetz Nr. 23 am 10. April untersagt. Das Gesetz Nr. 25 verbot vom 26. April an alle militärisch relevanten Forschungen. Mit der Direktive Nr. 30 wurde am 13. Mai die Tilgung aller Darstellungen auf Gedenksteinen, Denkmälern, Plakaten, Statuen, Bauwerken, Straßenschildern u. a. angeordnet, welche die Tradierung der deutschen Militärgeschichte seit 1914 zum Inhalt hatten. Der Befehlt Nr. 4 des selben Tages wies alle deutschen Bibliotheken, Verlage, Erziehungs- und Wissenschaftsinstitutionen an, nationalsozialistische Literatur auszusondern und den Besatzungsbehörden zu übergeben. Am 20 August wurde mit dem Gesetz Nr. 34 die Wehrmacht aufgelöst. Schlussendlich wurde am 20. Dezember die Produktion und Weitergabe von Kriegsmaterial unter Strafe gestellt.
Hinter der großen Fülle dieser alliierten Bestimmungen, deren Umsetzung im einzelnen schwer nachgeprüft werden kann, und die sich oft in ganz unbeabsichtigter Weise auf das Leben der Deutschen auswirkten, stand wohl die Absicht, den Deutschen neben der Beseitigung der wirtschaftlichen Grundlage des Militarismus auch jegliches Know-how des Krieges zu nehmen, da man anderenfalls ein relativ schnelles Wiedererwachen des militärischen Instinkts der Deutschen befürchtete.
3. Aufbau eines Polizeiapparates in der SBZ 1945 - 1947
Trotz der starken Vorbehalte, welche die Alliierten gegenüber den Deutschen hegten, musste die öffentliche Sicherheit aufrechterhalten werden, welche durch Angehörige der Besatzungsmächte allein nicht zu garantieren war. Dem deutschen Polizeiapparat, der durch den Ausfall der bisher der NSDAP angehörenden Beamten fast völlig zum Erliegen gekommen war, stand nach dem Ende des Krieges eine erhebliche Destabilisierung der öffentlichen Ordnung, hervorgerufen durch Bevölkerungsbewegungen, fanatische Nationalsozialisten, häufig bewaffnete Fremdarbeitergruppen und situationsbedingt erhöhte Kriminalität, gegenüber.
Nachdem in der SBZ und im gesamten Berlin die deutsche Polizei entwaffnet und in kommunale Einheiten aufgelöst wurde, begannen die aus Moskau eingeflogenen Aktionsgruppen der KPD im Auftrag der sowjetischen Besatzungsmacht einen neuen, zunächst lokalen Polizeiapparat aufzubauen. Dabei besetzten sie die wichtigsten Funktionen stets mit bewährten Kommunisten, um ihren Einfluss auf die Polizei, für deren Apparat sie natürlich auch nichtkommunistische, jedoch nationalsozialistisch unbelastete Personen heranziehen mussten, dauerhaft zu sichern.
Der Rückzug der westlichen Alliierten aus dem von ihnen befreiten Territorium der späteren SBZ und die Übernahme der ihnen zustehenden Sektoren in Berlin, ließ einige Probleme beim Aufbau der sowjetzonalen Polizei auftreten. Die unter den westlichen Alliierten entstandenen lokalen Polizeieinheiten im Westen der SBZ konnten verhältnismäßig leicht unter kommunistische Kontrolle gebracht werden. Schwieriger gestaltete sich der Versuch der Aufrechterhaltung der kommunistischen Kontrolle über die gesamtberliner Polizei. Als Anfang August 1945 der bisherige Polizeichef von Berlin, Polizeimajor Heinrich, von den sowjetischen Behörden durch den in der UdSSR geschulten ehemaligen Wehrmachtshauptmann Paul Markgraf ersetzt wurde, protestierten die westlichen Alliierten nur erfolglos dagegen. Jedoch unternahmen sie innerhalb ihres direkten Einflussbereiches alles, um die dort etablierten kommunistischen Polizeibeamten erfolgreich zu verdrängen.
Die 'Volkspolizei' (VP), als deren Gründungstag später offiziell der 1. Juli 1945 galt, hatte zu Beginn ihrer Existenz den Charakter einer Ordnungspolizei. Die 'Volkspolizei' wurde von den Kommandanturen der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) in den ersten Monaten nach Kriegsende mit notwendigen technischen und materiellen Ausrüstungen versorgt, während Angehörige der sowjetischen Besatzungsmacht gemeinsam mit Volkspolizisten im Frühjahr und Sommer 1945 sogenannte Kommandanturstreifen durchführten. Am 31. Oktober wurde der 'Volkspolizei' von der SMAD offiziell die Genehmigung zur Bewaffnung erteilt, was bereits der Direktive Nr. 16 des alliierten Kontrollrates vom 6. November vorgriff, welche eine Bewaffnung mit Knüppeln, Revolvern und Pistolen nach Belieben der einzelnen Besatzungsmächte zuließ.
Bereits am 22. Oktober befahl die SMAD die lokalen Polizeieinheiten in der SBZ auf Ebene der Länderverwaltungen zusammenzufassen, in den dortigen Innenministerien wurden Ende 1945 Landespolizeibehörden gebildet. Die nächste Stufe der Zentralisierung des Polizeiapparates in der SBZ war die Bildung der Deutschen Verwaltung des Inneren am 1. August 1946 unter der Leitung von Erich Reschke. Diese Zentralisierung, welche allen Abmachungen der Alliierten zuwiderlief, hatte den Zweck die 'Volkspolizei' zu einem schlagkräftigen, bewaffneten Organ, zum Schutz des Aufbaus einer antifaschistisch-demokratischen Gesellschaftsordnung vor inneren Feinden, zu entwickeln. Dieser Anspruch schloss freilich auch eine ideologische Ausrichtung dieses Machtorgans ein, was dem westlichen Verständnis einer politisch 'neutralen' Polizei zutiefst widersprach.
Parallel wurden Verbände einer Transport- und einer Grenzpolizei aufgebaut, welche erstens zum Schutz sowjetischer Reparationstransporte und zur Kontrolle des Transitverkehrs zwischen den Westzonen und West-Berlin dienen, und zweitens die sowjetischen Besatzungstruppen bei der Überwachung der Zonengrenzen unterstützen sollten.
Die Grenzpolizei, welche Mitte 1947 noch ca. 3.800 Mann umfasste, wurde im Frühjahr 1948 von der allgemeinen Polizei getrennt. In jedem Land wurden drei kasernierte Bereitschaften aufgestellt, die insgesamt rund 10.000 Mann ausmachten.
Die Verbandsstärke der Transportpolizei belief sich während dieser Zeit auf ca. 7.400 Mann. Die übrige 'Volkspolizei' wuchs vom Ende des Jahres 1946 (ca. 45.000 Mann) bis zum Ende des Jahres 1947 rasch auf ca. 60.000 Mann an.
4. Schaffung einer kasernierten Polizeitruppe mit militärischem Charakter 1948 - 1952
In den Jahren 1947/48 spitzten sich die Gegensätze zwischen der Sowjetunion und den westlichen Alliierten in der Deutschlandpolitik - hervorgerufen durch die offensichtlich unterschiedlichen politischen und ökonomischen Entwicklungen in der SBZ auf der einen und den Westzonen auf der anderen Seite - zu. Diese Spannungen fanden ihren Ausdruck im Verlassen des alliierten Kontrollrats am 20. März 1948, sowie der interalliierten Kommandantur von Berlin am 16. Juni durch die jeweiligen sowjetischen Vertreter. Höhepunkt dieses Konfliktes war die weitgehende Unterbindung des Transitverkehrs von und nach West-Berlin durch die SMAD zwischen dem 18. Juni und 4. August 1948.
In dieser Situation wurde im Jahre 1947 von der SMAD damit begonnen, Vorbereitungen für eine Aufstellung deutscher Truppen in der SBZ zu treffen, wie aus einer Mitteilung Walter Ulbrichts an die Mitglieder des Zentralkomitees der SED vom Herbst 1947 hervorgeht.
Was waren aber nun die Gründe dafür, dass die Sowjetunion drei Jahre nach dem Sieg über Deutschland eine zumindest begrenzte Wiederbewaffnung der Deutschen in der SBZ durchzuführen beabsichtigte?
Die defensive Aufgabe des Schutzes der Herrschaft der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) auf dem Territorium der SBZ, gegen innere und äußere Feinde, nach einem möglichen Abzug der sowjetischen Truppen, hält Alexander Fischer für wenig wahrscheinlich. Größere Bedeutung misst Fischer einem beabsichtigten offensiven Einsatz der Streitkräfte der SBZ zu. Einerseits könnte ein solcher Einsatz bei einer möglichen gewaltsamen Okkupation der Westzonen Deutschlands erfolgt sein, wofür er Äußerungen maßgebender ostdeutscher Politiker, wie Willy Gerhardt (Innenminister Thüringen) und Bernhard Bechler (Innenminister Brandenburg), vom Sommer 1949 anführt - was meiner Auffassung nach angesichts der Manifestierung der deutschen Spaltung durch die Verkündung des Grundgesetzes in Westdeutschland lediglich eine Verschärfung in der verbalen Agitation darstellte -, andererseits könnten 'eigene Streitkräfte' bei der Argumentation in der Auseinandersetzung um die 'Deutsche Frage' vorteilhaft gewesen sein, wenn Stalin bei dieser Überlegung von einer starken Assimilationskraft der SBZ gegenüber den Westzonen ausgegangen war. Gerhard Wettig schließt dagegen einen Einsatz nach Innen a. G. der vorhandenen schweren Waffen völlig aus und stellt auch eine mögliche Relevanz der Bereitschaften bei der Wiedervereinigungsdiskussion in den Vordergrund. Der Schwerpunkt der Ausbildung der Truppe auf Straßenkampf und Geländekleinkrieg schien auf einen beabsichtigten Einsatz bei einer bürgerkriegsartigen Eroberung Westdeutschlands hinzuweisen. Doch Wettig kommt zu dem Schluss, dass auf Grund der schlechten Bewaffnung dieses Ziel kurzfristig nicht erreicht werden konnte, und die ursächliche Aufgabe der kasernierten Bereitschaften die Heranbildung von Ausbildungskadern für den späteren Aufbau einer größeren militärischen Truppe gewesen war. Hermann-Josef Rupieper wiederum maß der Aufgabe der Kontrolle der inneren Entwicklung in der SBZ größere Bedeutung zu, wobei auch er die Möglichkeit eines Einsatzes außerhalb des Territoriums der SBZ nicht gänzlich ausschloss. In der offiziellen Militärhistoriographie der DDR hieß es über den Beginn der Remilitarisierung später: "Die marxistisch-leninistische Partei der deutschen Arbeiterklasse zog aus der Lage, wie sie um die Mitte des Jahres 1948 bestand, die Schlussfolgerung, dass die allseitige Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung als Hauptaufgabe im Kampf um die Lösung der nationalen Frage des deutschen Volkes gleichzeitig eigene Anstrengungen für den bewaffneten Schutz der neuen Ordnung und die schnelle Entwicklung der Verteidigungsbereitschaft des werktätigen Volkes erforderlich machen. Zur Verwirklichung der Aufgabenstellung durch die Partei wurde mit dem Aufbau von Volkspolizeibereitschaften begonnen und der Erziehungsprozess der Werktätigen zur aktiven Wehrbereitschaft eingeleitet."
Im Frühjahr 1948 wurden die Vorbereitungen für die Aufstellung von bewaffneten Truppen durch deutsche Stellen übernommen und weitergeführt. Die Deutsche Verwaltung des Inneren wurde neu gegliedert, und am 3. Juni 1948 wurde auf Befehl der SMAD eine Hauptabteilung Grenzpolizei und Bereitschaften (GP/B) gebildet, was als die endgültige Einleitung der Remilitarisierung in der SBZ angesehen werden kann. Schließlich wurde am 3. Juli 1948 von der SMAD die Aufstellung kasernierter Bereitschaften befohlen, was durch die inzwischen erfolgte Blockade West-Berlins in der Durchführung beschleunigt worden war. Chefinspekteur der Truppe wurde Hermann Rentsch, ein ehemaliger Oberleutnant der Wehrmacht. Zu Anfang wurden die Kader der Bereitschaften mit Dreijahresverpflichtungen aus den Reihen der Deutschen Volks- und Grenzpolizei übernommen. Neben kampferfahrenen Kommunisten, welche beispielsweise im Spanienkrieg gekämpft oder in der Roten Armee gedient hatten, wurden in den Jahren 1948 und 1949 unter den deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion klassenpolitisch zuverlässige Kader geworben, die über militärische Spezialkenntnisse verfügten, welche für den Aufbau einer schlagkräftigen Truppe unerlässlich waren. Insbesondere auf dem Gebiet der Waffentechnik und des Nachrichtenwesens wurden diese Spezialisten benötigt, so ist beispielsweise der spätere 'Chef Nachrichten' der NVA, Georg Reymann, ehemaliger Oberleutnant der Wehrmacht, mit der Maßgabe der Tätigkeit bei der Polizei 1948 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Auf diese Weise konnte man ca. 1.000 ehemalige Offiziere und Unteroffiziere der Wehrmacht zur Mitarbeit beim Aufbau der kasernierten Bereitschaften gewinnen.
Gleichzeitig wurden in der SBZ Bemühungen deutlich, ehemalige, 'kleine' Nationalsozialisten wieder in die Gesellschaft zur Teilnahme am demokratischen Wiederaufbau einzugliedern. Hierfür kann als wichtigstes Indiz die Gründung der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD) am 16. Juni 1948 angesehen werden. In dieser Partei sollten nationalgesinnte Bürger und ehemalige Militärs eine politische Heimat finden.
Die einzelnen Formationen der kasernierten Bereitschaften hatten eine Stärke von 100 bis 250 Mann. Am Ende des Jahres 1948 umfasste die Gesamtstärke der Bereitschaften und Schulen ca. 7.500 bis 10.000 Mann, deren Ausrüstung aus Karabinern, Pistolen, Sturmgewehren und einigen Maschinengewehren bestand, insgesamt aber schlecht war. Einige Einheiten wurden zu dieser Zeit schon für die Aufstellung schwerer Waffen vorbereitet, die jedoch noch fast nicht vorhanden waren. Neben einer umfassenden Ausbildung in zunächst 12 VP-Schulen durch erfahrene ehemalige Wehrmachtsangehörige nach Vorschriften der Wehrmacht wurden Kader für führende Funktionen an sowjetischen Militärakademien in Schnellkursen ausgebildet.
Diese offensichtlichen Aktivitäten zur Aufrüstung in der SBZ riefen bei den westlichen Alliierten, insbesondere bei den Amerikanern, heftige Proteste hervor. Die amerikanische Besatzungsbehörde kritisierte in ihrem Presseorgan "Neue Zeitung" vom 27. November 1948 die Verstöße gegen die interalliierten Kontrollratsvereinbarungen zur Entmilitarisierung Deutschlands in der SBZ, wie dem Prinzip der Dezentralisierung, den Polizeibewaffnungsvorschriften und dem Verwendungsverbot für ehemalige Wehrmachtsoffiziere.
Im Jahre 1949 erfolge offenbar eine zunehmende Differenzierung bei der Ausrüstung einzelner Bereitschaften, so bestanden zu diesem Zeitpunkt 24 Infanterie-, 7 Artillerie-, 3 Panzer-, 3 Nachrichten- und 2 Pionierbereitschaften.
Die SMAD sicherte sich politischen und inhaltlichen Einfluss auf die neue Truppe durch den Einsatz von sowjetischen Beratern (Sowjetniks) auf allen militärischen Ebenen. Dagegen griff die SED auf das in der Sowjetunion bewährte System des Einsatzes von politischen Kommissaren in der Truppe zurück, wobei jedem Kommandeur ein Stellvertreter 'Polit-Kultur' beigegeben wurde, ohne dessen Zustimmung keine Weisungen erteilt werden konnten. Welche Bedeutung diese Funktion hatte, kann allein aus dem Fakt abgelesen werden, dass der langjährige Verteidigungsminister der DDR, Heinz Hoffmann, 1949 zunächst Leiter der Hauptabteilung Polit-Kultur in der Deutschen Verwaltung des Inneren wurde.
Am 5. November 1948 wurde die Grenz- und Bereitschaftspolizei offiziell aus der Kompetenz der Länder herausgelöst und der DVdI angegliedert. Die Trennung der Bereitschaften von der Grenzpolizei erfolgte am 14. April 1949, worauf sie in der Hauptverwaltung für Schulung (HVS) zusammengefasst wurden.
Im Sommer 1949 ging eine auf Anweisung der SMAD durchgeführte Säuberung der Bereitschaften von klassenpolitisch unzuverlässigen Elementen mit einer "Werbeaktion Kerber" einher, welche den Mannschaftsbestand der Bereitschaften auf ungefähr 40.000 bis 50.000 Mann erhöhen sollte. Das Rekrutierungssoll wurde - nach zahlreichen Schwierigkeiten - erst im Laufe des neuen Ausbildungsjahres 1950, was bereits im November 1949 begann, erreicht. Im Rahmen dieser Säuberung wurde auch der Leiter der HVS, Hermann Rentsch, durch den bewährten Spanienkämpfer Wilhelm Zaisser ersetzt, der wiederum im Frühjahr 1950 von seinem bisherigen Stellvertreter Heinz Hoffmann abgelöst wurde, da er am 8. Februar die Leitung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) übernahm.
Mit der Gründung der DDR im Oktober 1949 wurde die DVdI in 'Ministerium des Inneren' umbenannt. Die HVS wandelte sich zur 'Hauptverwaltung für Ausbildung' (HVA).
Am 15. Juni 1950 wurde offiziell die 'Hauptverwaltung Seepolizei' (HVS) unter Leitung von W. Verner gebildet. Bereits im Mai 1950 waren nach dreimonatiger Vorbereitung die ersten Schnell- und Minensuchboote ausgelaufen. Die 'Hauptabteilung Seepolizei' umfasste Ende 1951 ca. 4.000 Mann. Daneben wurde ab 1950 der Aufbau einer Luftwaffe in einem 'Referat zur besonderen Verwendung' (z. b. V.) im MdI durch den ehemaligen Wehrmachtsmajor Zorn vorbereitet. Für die Leitung dieser Luftwaffe war allerdings der Funktionär Heinz Kessler vorgesehen. Weiterhin wurden im MfS ein Wachregiment und fünf Wachbataillone gebildet, die der Staatssicherheit als Elitetruppe für die Durchsetzung innenpolitischer Ziele dienen sollte. Die Grenzpolizei wurde im Jahre 1950 einer politischen Säuberung unterzogen und zum 1. Januar 1951 als 'Hauptabteilung Grenzpolizei' mit einer Stärke von ca. 20.000 Mann in das MdI eingegliedert. Am 16. Mai 1952 wurde diese dann als 'Deutsche Grenzpolizei' dem MfS unterstellt.
Die offensive Kampfkraft der Volkspolizei-Einheiten wurde Mitte 1950 von amerikanischer Seite als gering eingestuft. Jedoch war man sich der Gefahr des ungeheueren Mobilmachungspotentials in der DDR bewusst, was man auf 250.000 Mann innerhalb einer Frist von sechs bis acht Monaten schätzte.
Gegen Ende des Jahres 1950 wurde in den Dienststellen und Schulen der Volkspolizei-Bereitschaften die zweite Ausbildungsperiode abgeschlossen. Die Rekruten wurden Eignungsprüfungen unterzogen und nach deren Ergebnissen in den Rang von Offizieren und Unteroffizieren erhoben. Den VP-Angehörigen, die nach zweijähriger Dienstzeit ihre Entlassung zur Mitte des Jahres 1951 beantragten, wurde diese größtenteils verweigert.
Vor Beginn der neuen Ausbildungsperiode im Frühjahr 1951 kam es innerhalb der Bereitschaften zu einer grundlegenden Umstrukturierung. Die bis zu diesem Zeitpunkt existierenden 39 VP-Bereitschaften wurden aufgelöst und in 24 VP-Dienststellen (VPD) zusammengefasst, welche - im Gegensatz zu der bis dahin erreichten Spezialisierung in den VP-Bereitschaften (s. o.) - in der Waffenausstattung gemischte Kampfverbände darstellten. Diese Kampfverbände in Regimentsgröße bestanden aus je drei Infanterie- und einem Artilleriekommando von je 300 bis 350 Mann, sowie einer Spezial- (Aufklärer, Nachrichten, Pioniere, Pak, Flak, Granatwerfer, Panzer) und Transportabteilung. Insgesamt hatten diese VPD eine Größe von je 2.400 Mann, deren Angehörige nunmehr nach sowjetischen Dienstvorschriften ausgebildet wurden. Die Einführung dieser neuen Dienstvorschriften mag auch der Anlass für die Umgliederung gewesen sein, denn diese Einheiten entsprachen der Gliederung des mechanisierten Schützenregiments der Roten Armee.
Diese Maßnahmen lösten auf westlicher Seite Spekulationen über die zukünftigen Aufgaben der umgruppierten Einheiten der VP-Dienststellen aus. Die Annahme, dass die Truppen der VPD sowjetische Einheiten bei deren Operationen an der Front bzw. im Hinterland unterstützen sollten, erscheint auf Grund der schlechten Bewaffnung und der katastrophalen Disziplin recht gewagt, obwohl geflüchtete KVP-Angehörige von der Existenz 'Mobiler Einsatzpläne' für diese Fälle berichteten. Vielmehr scheint wahrscheinlicher, dass die VPD weiterhin als 'Kaderschmieden' für eine spätere Armee gedacht waren, deren Strukturen sich nun nicht mehr nach Wehrmachtsregeln richteten, sondern den Vorschriften der Sowjetarmee genüge taten.
Die Problematik der fehlenden Truppenmoral spitzte sich - trotz der im Jahre 1950 eingetretenen Entspannung dieser Situation in den Bereitschaften - angesichts der SED-Kampagne gegen eine westdeutsche Wiederbewaffnung im Jahre 1951 extrem zu. Unruhen, Übertretung der Dienstvorschriften und sogar kleine Meutereien häuften sich, was zu einer Verschärfung von Dienstvorschriften, Kontrollen und Strafen mit der Einführung einer zentralistischen Grundsätzen genügenden Disziplinordnung am 1. März 1951 führte. Die mangelhafte Truppendisziplin, die seit Bestehen der kasernierten Verbände latent vorhanden war, hatte vielfältige Ursachen. Neben einem - nach den Erfahrungen des II. Weltkrieges - in der Bevölkerung weitverbreiteten Pazifismus, welcher die VP-Bereitschaften ohnehin unpopulär erscheinen ließ, wurden viele Rekruten mit mehr oder weniger starkem Druck zum Eintritt in die VP-Bereitschaften genötigt. Die individuellen Kriegserfahrungen, die Anti-Kriegspropaganda der SED und die aufkommende Wiederbewaffnungsdiskussion in Westdeutschland ließen bei den potentiellen Rekruten eine "Ohne-mich-Haltung" entstehen, die trotz mit enormen Aufwand geführter Werbekampagnen und völliger Vereinnahmung der VP-Bereitschaften durch SED und FDJ selbst in den Reihen der VP-Verbände zu spüren war und vielfach zu Desertionen führte, wobei sich insbesondere Söhne kommunistischer Funktionäre, sowie SED- und FDJ-Kader hervortaten. Unter diesen Voraussetzungen kam einer forcierten Schulung der VP-Angehörigen in der marxistisch-leninistischen Theorie, beispielsweise in der Frage der sowjetischen Interpretation von gerechten und ungerechten Kriegen, enorme Bedeutung zu.
Im Zeitraum nach der Stalin-Note vom 10. März 1952 verstärkte sich die Werbung für die KVP wieder. Hauptsächlich die FDJ sah sich der Aufgabe gegenübergestellt, der Jugend in der DDR den 'Ehrendienst' für den Staat schmackhaft zu machen. Eine Vielzahl von Zirkeln zur paramilitärischen Ausbildung wurden eingerichtet. Auf ihrem IV. Parlament 1952 in Leipzig verpflichtete sich die FDJ "'...der Jugend die Bereitschaft an[zu]erziehen, verantwortungsbewußt und kühn die Interessen des Volkes und der Republik zu verteidigen', und den jungen Leuten das 'Waffenhandwerk' [zu] vermitteln...". Die FDJ erhob sich hiermit, wie dies vom Zentralkomitee der SED auf dessen 8. Tagung am 25. Februar 1952 festgelegt wurde, zur gesellschaftlichen Kaderreserve der VP-Dienststellen. Die SED stellte schließlich auf ihrer II. Parteikonferenz am 12. Juli 1952 die Notwendigkeit einer Organisierung bewaffneter Streitkräfte gemäß der neuesten Technik fest.
Die paramilitärische Ausbildung der Jugendlichen wurde innerhalb der 'Gesellschaft für Sport und Technik' (GST) abgewickelt, welche am 7. August 1952 gebildet wurde. Bereits im Dezember des Jahres hatte die Organisation hauptsächlich unter Jugendlichen ca. 700.000 Mitglieder. Weiterhin wurde ein (Arbeits-)'Dienst für Deutschland' (DfD) eingerichtet. Im Frühjahr 1953 entstanden in volkseigenen Betrieben die zivilen Kampfgruppen, die sich zunächst aus politisch zuverlässigen Betriebsangehörigen zusammensetzten sollten.
Innerhalb des Apparates der nichtkasernierten Volkspolizei wurde in der zweiten Hälfte des Jahres 1952 in den Bezirkshauptstädten und Ost-Berlin Volkspolizeibereitschaftskommandos eingerichtet, die insgesamt eine Stärke von ca. 14.000 Mann hatten.
Die kasernierten Volkspolizeitruppen sahen sich nunmehr einer im Gegensatz zu der Antiwiederbewaffnungspropaganda der SED von 1951 stehenden gesellschaftlichen Aufwertung gegenüber. Eine Reihe ehemals hoher Offiziere der Wehrmacht wurde in die VP-Truppe einbezogen.
Die Struktur der Bereitschaften wurde im Sommer 1952 wiederum erheblich gestrafft. Am 5. Juli wurde die 'Hauptverwaltung Ausbildung' in 'Kasernierte Volkspolizei' (KVP) und die 'Hauptverwaltung Seepolizei' in 'Volkspolizei/See' umbenannt. Die bisherigen VP-Dienststellen wurden aufgelöst und vier Territorialverwaltungen (TV), welche Heeresgruppen entsprachen, eingerichtet. Das Gros der Truppe wurde innerhalb der TV 4000 in Pasewalk zusammengefasst, welche drei Divisionen und weitere Verfügungstruppen unterhielt. In den übrigen Territorialverwaltungen blieb nur noch ein schwaches Verbandsgerippe bestehen, was mittels intensiver Werbung aufzufüllen versucht wurde. Zwischen Juli und September begann man beispielsweise damit, in der Industrie betriebliche Kommissionen einzurichten, um mehr Kader für die KVP zu gewinnen. Der Personalbestand der KVP stieg in dieser Zeit auf gut 80.000 Mann an. Die Bewaffnung wurde vollständig auf sowjetische Typen umgestellt. Einige Panzer, Geschütze und Jagdflugzeuge wurden von der UdSSR zur Verfügung gestellt, Waffen und Geschosse wurden ebenfalls aus der SU bezogen.
Seit Beginn des Jahres 1952 ist forciert am Aufbau einer Luftwaffe gearbeitet worden. Am 5. Juli wurde neben den oben erwähnten Umstrukturierungen eine 'Volkspolizei/Luft' offiziell neu gebildet, die allerdings aus der Umformung des erwähnten 'Referats z.b.V.' des MdI entstand. Rund 300 ausgewählte Kader wurden im Sommer bei Pirna in Sachsen mit den theoretischen Kenntnissen der Jagdfliegerei vertraut gemacht, welche danach zur praktischen Flugausbildung in die SU geschickt wurden. Unterdessen wurde in der in Sachsen entstehenden Fliegerdivision die Durchführung von Lehrflugbetrieb auf drei hiesigen Flugplätzen vorbereitet.
Im zivilen Bereich wurde außerdem auf Bezirks- und Kreisebene ein Apparat zur Erfassung und Registrierung von potentiellen Wehrpflichtigen geschaffen. Überlegungen für eine Polizeidienstpflicht für die männliche Jugend wurden aber im Frühjahr 1953 - offenbar in Folge der Bemühungen um politische Entspannung zwischen Ost und West nach Stalins Tod - vorerst wieder aufgegeben.
Die am 17. September 1952 erfolgte Einführung olivgrüner Uniformen statt der bisher verwendeten Polizeimonturen, und die Ersetzung der Polizeidienstgrade durch militärische Ränge markierte den Abschluss der ersten umfangreichen Aufbauphase der Streitkräfte in der DDR.
Im Frühjahr 1953 ist bei der KVP in "...organisatorischer Hinsicht ... offenbar der beabsichtigte Endzustand erreicht..." worden. Im Ministerium des Inneren wurde am 19. Februar ein Staatssekretariat für innere Angelegenheiten gebildet, was die Absonderung des Innenressorts von der militärischen Verwaltung, welche das übrige Ministerium umfasste, darstellte. Damit ist eine weitere strukturelle Voraussetzung für die Errichtung eines eigenen Verteidigungsministeriums geschaffen worden.
Die 1952 geschaffenen Territorialverwaltungen wurden in ihrem Bestand weiter ausgebaut. Hierbei sind die drei Divisionen der TV Nord beibehalten und die übrigen TV's mit je drei regimentsstarken Verbänden und Verfügungstruppen ausgestattet worden. Die Stärke der einzelnen Teile der KVP betrug Mitte 1955 insgesamt rund 100.000 Mann, die sich auf 85.000 Heeresangehörige, 9.000 Marinesoldaten und 6.850 Angehörige der Fliegertruppe gliederten.
Durch die Ereignisse des 17. Juni 1953 wurde in der DDR die Aufbaugeschwindigkeit der KVP vorübergehend erheblich gemindert. Die während des Aufstandes nur im begrenzten Umfang zum Einsatz gekommenen KVP-Verbände wurden im Sommer 1953 einer umfangreichen Säuberung unterworfen, was für viele KVP-Angehörige eine Möglichkeit zur vorzeitigen Entlassung durch Auffälligkeiten aus dem unpopulären Dienst bot. Dieser verbreitete Defätismus führte zur vorzeitigen Unterbrechung dieser Aktion.
Im Herbst des selben Jahres wurde der Aufbau forciert fortgeführt. Jedoch wurde nunmehr - resultierend aus den Erfahrungen des Volksaufstandes - größeren Wert auf eine sorgfältige individuelle Auslese der Rekruten nach klassenpolitischen Prinzipien gelegt. Darüber hinaus wurde der militärische Aufbau stärker getarnt durchgeführt. Die Führungsspitzen der einzelnen Teilbereiche der KVP wurden am 5. August 1953 unter einer einheitlichen Behörde mit der Bezeichnung 'MdI/KVP' unter Leitung von Heinz Hoffmann vereinigt. Die Differenzierung des militärischen und inneren Sektors im MdI der DDR fand seinen Ausdruck in der räumlichen Separierung des KVP-Oberkommandos, welches im Sommer 1955 seinen Sitz in Berlin-Straußberg nahm. Die Territorialverwaltungen in Schwerin und Dresden wurden aufgelöst und deren Truppen bei der TV 6000 (Süd) in Leipzig konzentriert, die - wie die TV 4000 (Nord) in Pasewalk - drei Divisionen und Verfügungstruppen erhielt. Diese Maßnahme rührte wahrscheinlich aus der Erkenntnis her, dass man in absehbarer Zeit nicht 12 Divisionen mit politisch zuverlässigem Personal auffüllen konnte. Jedoch bemühte man sich um eine rasche Ergänzung der neuen Verbände. Die waffentechnische Ausstattung wurde durch Lieferungen aus der SU verbessert. In Dresden wurde eine Militärakademie gegründet, die der eigenen Heranbildung von Stabsoffizieren dienen sollte.
Die offensichtliche Beschränkung in der Realisierung des Umfanges der Truppen der KVP von vier auf zwei Armeegruppen, und die Stationierung einer eigenständigen Division in Potsdam zur Absicherung Ost-Berlins, lässt den Schluss zu, dass sich damit auch der Bestimmungszweck der Truppe vom potentiellen Kern einer gesamtdeutschen Armee hin zu einer Schutztruppe des Staates 'DDR' nach Innen und in Perspektive auch nach Außen gewandelt hatte.
Der Aufbau einer militärischen Truppe war mit diesen Strukturänderungen so gut wie abgeschlossen.
Neben der KVP-Truppe waren freilich noch Spezial- und Eliteeinheiten, sowie paramilitärische Verbände vorhanden. Dem MfS wurden nach der Grenzpolizei (20.000 bis 30.000 Mann) Anfang 1953 auch die Angehörigen der Transportpolizei (ca. 8.000 Mann) unterstellt. Daneben existierte in Berlin ein Wachregiment und in den Hauptstädten der 1953 aufgelösten Länder je ein Wachbataillon, welche während des Volksaufstandes zuverlässige Dienste leisteten. Sie hatten eine geschätzte Stärke von 4.000 bis 5.000 Mann und blieben nach dem Sturz Wilhelm Zaissers und der Herabsetzung des MfS zu einem Staatssekretariat im MdI bestehen.
Die reguläre Volkspolizei hatte ca. 85.000 Angehörige. Die innerhalb der VP gebildeten Bereitschaften erreichten schnell eine Größe von insgesamt ca. 7.500 Mann. Die Einsetzung des Chefs der regulären VP, Karl Maron, als Innenminister am 5. Juli 1955 kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Separierung des militärischen Bereiches aus dem MdI einen gewissen Abschluss gefunden hatte.
Die GST stellte ihre Tätigkeit nach dem 17. Juni 1953 vorübergehend ein, bevor sie nach gründlicher Reorganisation im Herbst 1953 die paramilitärische Ausbildung ihrer ca. 1.000.000 Mitglieder wieder aufnahm. Der 'Dienst für Deutschland' wurde nach dem 17. Juni abgeschafft.
Das ZK der SED beschloss auf seiner 13. Tagung im Mai 1953 die Aufstellung von betrieblichen Kampfgruppen, was durch die Juni-Ereignisse verzögert wurde. Auf der 16. Tagung des ZK der SED im September 1953 wurde dann schließlich die Zusammenfassung von ca. 15 % der SED-Mitgliedern in den Betrieben, welche deren politisch bewusstesten Teil darstellen sollten, beschlossen. Ab Anfang 1954 wurde der Aufbau der Kampfgruppen stark forciert. Zur Ausbildung standen ihnen Kader der KVP zu Verfügung, die dieser Tätigkeit nachgehen konnte, da während der ersten Aufbauphase der KVP von 1948 bis 1952 mehr militärische Ausbilder geschult worden waren, als sie in der veränderten KVP-Struktur gebraucht wurden.
Im Herbst 1954 begannen innerhalb des Ostblocks die Verhandlungen über ein Verteidigungsbündnis. Der DDR wurde nach Auffassung Gerhard Wettigs innerhalb des später 'Warschauer Vertrag' genannten Abkommens nur eine vergleichsweise kleine Armee von 7 Divisionen zugestanden, die in ihrer Gesamtheit zu den Verfügungstruppen des Warschauer Vertrages zählte und - im Gegensatz zu den übrigen Vertragsteilnehmern - dem kollektiven Willen des Bündnisses unterworfen war, wie es aus der deutschen Version des Vertragstextes hervorgeht. Jedoch wurde das Bemühen der SED zur offiziellen Gründung einer 'Volksarmee' im Jahre 1955 von sowjetischer Seite noch gebremst. Diese Zurückhaltung ist wohl zum einen auf eine taktische Rücksichtnahme auf die Genfer Gipfelkonferenz vom Sommer 1955 zurückzuführen, zum anderen gab es innerhalb des Ostblocks noch heftigen Widerstand gegen eine offizielle Aufrüstung der DDR. Nach der Formulierung der 'Zwei-Staaten-Theorie' durch die SU, gab es für die Installierung der 'Nationale Volksarmee' (NVA) der DDR keine ausschlaggebenden politischen Hindernisse mehr.
Die NVA wurde schließlich am 18. Januar 1956 per Gesetz konstituiert. Am 19. Januar wurde Willi Stoph zum Verteidigungsminister ernannt. Am 9. Februar ist die Struktur des Verteidigungsministeriums beschlossen worden, dessen Arbeitsbereitschaft am 1. März 1956 offiziell verkündet werden konnte.
In der SBZ/DDR wurde nach 1948 - lange vor vergleichbaren Bemühungen in Westdeutschland - zielstrebig eine militärische Streitmacht aufgebaut, welche zunächst der Heranbildung von Kadern in ausreichender Zahl für den offiziellen Aufbau einer Armee dienen sollte. Obwohl der Aufbau dieser Truppe sukzessive vorangetrieben wurde, gab es wohl keine erkennbare Planmäßigkeit bei diesem Vorgehen. Der Aufbau wurde von vielen inneren und äußeren Schwierigkeiten begleitet. Neben den enormen ökonomischen Anstrengungen, welche der Aufbau einer derartigen Armee bedarf, war die durch Kriegserfahrungen geprägte Bevölkerung nur durch massive politische Agitation und den Einsatz von Druckmitteln zur Akzeptanz oder zumindest zur Duldung der neu entstandenen Truppe zu bewegen. Die Disziplin und Moral der Angehörigen der Bereitschaften war ohnehin weitgehend als unzureichend anzusehen, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als nach dem Volksaufstand von 1953 zunehmend eine individuelle Auswahl der Rekruten einsetzte.
Von westlicher Seite sah man sich mit zahlreichen Protesten hauptsächlich der alliierten Besatzungsbehörden konfrontiert, was auch zu einer Minderung der Intensität des Truppenaufbaus führte.
Allerdings war die Negativ-Korrektur der Zielstellung von zu erreichenden Truppenstärken in den 1950er Jahren wohl hauptsächlich der - trotz massiver sowjetischer Unterstützung - fehlenden wirtschaftlichen Potenz zur Errichtung einer Armee mit ca. 12 Divisionen zuzurechnen. Natürlich spielte hierbei auch das Nichtvorhandensein von politisch zuverlässigen Kadern für eine derartig große Truppe eine entscheidende Rolle.
Die Sowjetunion hat, obwohl sie mit dem Aufbau der kasernierten Volkspolizei und anderer militärischer und paramilitärischer Organisationen gegen eine Reihe interalliierter Entmilitarisierungsbestimmungen verstoßen hat, auf dem von ihr besetzten Teil Deutschlands eine vollständig von ihr kontrollierte Streitmacht geschaffen, die waffentechnisch von ihr abhängig und nach sowjetischem Muster aufgebaut war. Damit hatte die Sowjetunion ihre beiden zentralen Ziele in der Behandlung des besiegten Deutschlands - zumindest für den unter ihrem Einfluss stehenden Bereich - verwirklicht. Zum einen wurde in der SBZ/DDR jegliche eigenständige militärische Aktivität beseitigt, zum anderen existierte auf deren Territorium keine relevante militärische Rüstungsindustrie mehr, welche die SU nicht für ihre Interessen zu nutzen wusste.
Daraus kann man resümieren, dass die UdSSR den überkommenen deutschen Militarismus zumindest in der SBZ/DDR zerschlagen hatte, und die von ihr neu geschaffenen ostdeutschen Streitkräfte in ihrem Interesse instrumentalisieren konnte, wenn die Notwendigkeit dazu bestand.